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dajobama

Posted on 23.5.2022

Ein Leben lang – Christoph Poschenrieder Dieser Roman greift einen tatsächlichen Fall auf, der zumindest in Bayern immer mal wieder hohe Wellen schlägt. Es geht um den Parkhausmord 2006 in München und um Benedikt Toth, der in einem umstrittenen Indizienprozess angeklagt wurde. Dieser Name fällt im gesamten Buch allerdings kein einziges Mal. Auch ist es nicht die reiche Tante, die ermordet wird, sondern der Erbonkel. Abgesehen davon hält sich der Autor aber sehr detailliert an die tatsächlichen Fakten. Noch genauer gesagt, beschäftigt sich Poschenrieder mit den Freunden des Angeklagten, die sich über Jahre sehr einsetzen und auch medial recht präsent sind. Natürlich gibt es immer wieder Spannungen innerhalb der Gruppe. Die Freunde schwanken zwischen Gewissheit und Zweifel, Hoffnung und Angst. Doch wieviel hält Freundschaft aus? Obwohl der Ausgang dieses Prozesses bekannt ist, bzw. jederzeit gegoogelt werden kann, schafft es Poschenrieder, eine faszinierende Spannung aufzubauen. Das liegt wohl vor allem auch daran, dass dieses Buch nicht wie ein klassischer Roman aufgebaut ist, sondern aus einzelnen, teils sehr kurzen, Interviewfetzen, Schnipseln, Telefonaussagen, Mails der Freunde besteht. Diese bauen immer wieder aufeinander auf, werden gegenseitig mit ihren Aussagen konfrontiert. Nach und nach schälen sich so die kleinen Wahrheiten heraus – sowohl über die Tat und den Angeklagten an sich, als auch über die gemeinsame Vergangenheit der Freunde und die Dynamik innerhalb der Gruppe. Dabei kommen die unterschiedlichen Charaktere sehr gut hervor und die Kommentare sind teilweise recht ungeschliffen und direkt. Authentisch eben. Das ist wirklich extrem gut gemacht. Der Autor braucht keine komplizierte, gehobene Sprache – im Gegenteil besteht seine Kunst darin, sich seinen Figuren anzupassen und diese damit lebendig werden zu lassen. Da jegliche Art von innerer Monolog dadurch fehlt, bleiben diese Charaktere trotz allem etwas lückenhaft. Es ist auch etwas gewöhnungsbedürftig, dass der Autor den realen Parkhausmord als sehr detaillierte Vorlage genommen hat, bei Namen, Berufen etc. der Freunde dann aber seiner Fantasie freien Lauf gelassen hat. Das musste ich für mich immer mal wieder gedanklich trennen. Insgesamt also ein recht spezieller, für mich trotzdem sehr interessanter Roman, der mir sehr gut gefallen hat. 4 Sterne.

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