Profilbild von kingofmusic

kingofmusic

Posted on 11.5.2022

Ein Mann und sein (Falt-)Boot Oskar Speck – ein Name, der mir bis zur Lektüre von „Der Flussregenpfeifer“ von Tobias Friedrich überhaupt nichts sagte. Nun, ich kann jetzt sagen (falls der Name irgendwo mal wiederauftaucht) „Ich weiß, was er getan hat.“ Und seine „Leistung“ (zu Zeiten des Nationalsozialismus mit dem Faltboot von Ulm aus bis nach Australien zu paddeln) ist durchaus etwas, was man anerkennen muss/ kann/ sollte. Und hätte Tobias Friedrich in seinem Debüt-Roman mehr Wert auf die Reise an sich, die (fiktiven und realen) Gedanken von Oskar Speck, seine Erlebnisse während der Reise gelegt, hätten wir es hier (wahrscheinlich) mit einem nachhaltig wirkenden historischen Roman zu tun. Doch leider verliert sich der Autor im Laufe der 500 Romanseiten in zu vielen Belanglosigkeiten, zu vielen Andeutungen die Reise betreffend (die aber leider nicht vertieft werden, sondern nur in Nebensätzen zu finden sind), zu banalen und pseudo-komischen Dialogen – sprich: Spannung kommt so gut wie nicht auf, alles bzw. viel plätschert wie ein ruhiger Fluss dahin, der ab und an mal zu einer Stromschnelle wird und sich genauso schnell wieder beruhigt. Am meisten Spannung kam für mich auf, als Oskar im australischen Internierungslager war und letztlich flüchten konnte. Danach/ davor/ dazwischen jedoch musste ich mich oft überwinden, überhaupt weiterzulesen, weil die Story nicht das leistet, was sie (wahrscheinlich) hätte leisten können. Es ist halt doch ein Unterschied, ob ich (kurze) Texte für Musikbands schreibe oder einen 500-seitigen Roman… Die meisten (oder alle) Figuren bleiben erschreckend blass und verpuffen im Laufe der Lektüre im Nichts der Fluss-, äh, ich meine Gehirnwindungen der geneigten Leserschaft. Auch einige (ob fiktiv oder nicht) „Zufälle“, bei denen die Hauptpersonen aufeinandertreffen ohne sich zu erkennen (oder erkennen wollen – wir wissen es nicht), haben bei mir eher Kopfschütteln und Fragezeichen in den Augen ausgelöst… Tobias Friedrich hat sich (wie wir im Anhang erfahren) mit Oskar Specks umfangreichem Nachlass befasst, der sich im National Maritime Museum in Sydney befindet. Leider hat er das (scheinbar vorhandene) Potential nicht ausreichend genutzt, um einen spannenden und nachhaltigen Roman zu schreiben. Die von Herrn Friedrich frei übersetzten Zitate von Mark Twain zählen für mich zu den „Highlights“, die sich jedoch an zwei Händen abzählen lassen. So leid es mir für Herrn Friedrich und „Der Flussregenpfeifer“ tut: eine Leseempfehlung kann ich nicht unbedingt aussprechen. Aber ich bin sicher, dass der Roman auch so seine Leserinnen und Leser findet. Denn wenigstens sind die Gestaltung des Schutzumschlags und auch die Gestaltung des Textes an sich durchaus gelungen. Wer darauf Wert legt, wird hier bestens bedient. Für mich bleiben unterm Strich 2* übrig. ©kingofmusic

zurück nach oben