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Babscha

Posted on 9.5.2022

Die naive Trudy ist schwanger von John, einem leicht versponnenen, erfolglosen Lyrikdichter. Claude, Johns intellektuell und auch ansonsten leicht minderbegabter Bruder, ist wiederum der aktuelle Lover von Trudy. Beide hausen in Johns stark herunter gekommenem herrschaftlichen Anwesen in London, denn John ist dort bereits ausgezogen, kommt aber -trotz eigener Liaison mit Kunststudentin Elodie- immer wieder vorbei und trägt seiner genervten Nochehefrau seine neuesten Lyrikergüsse vor. Trudy und Claude brauchen für ihre angestrebte sorgenfreie gemeinsame Zukunft dringend Geld und verfallen in ihren alkoholgetränkten Weinabenden auf eine goldene, wenn auch kriminelle Idee, wie sich dies möglichst kurzfristig bewerkstelligen lassen könnte. Diese krude Ausgangskonstellation bildet die Grundlage für McEwans brillanten, sarkasmustriefenden Geniestreich, den er hier kammerspielartig genüsslich zelebriert und seine möchtegernraffinierten Protagonisten dabei derart vorführt, dass die Lesefreude genauso sprudelt wie ein frisch geöffneter Prosecco. Denn als Clou lässt er das ganze Geschehen im wahrsten Sinne aus dem Bauch heraus durch das ungeborene Kind der hochschwangeren Trudy berichten, das sich, eingeengt in seine „Nussschale“ und degradiert zum Mithörer und Passivmittrinker seiner alkoholeskapadengebeutelten Mutter so seine ganz eigenen meist umnebelten Gedanken zu den ihn umgebenden Figuren, deren Plänen und Zielen und damit natürlich auch seiner eigenen Zukunft macht. Eine ganz besondere Perspektive also auch für den Leser/die Leserin, der/die sich eigentlich die gesamte Zeit gedanklich auch wie eingesperrt fühlt und irgendwie mitleidet mit dem permanent zwischen abgehobenem Zynismus und kindlicher Urangst bzw. hilfloser Unschuld changierenden Erzähler. Die kleine Geschichte des Buches ist dabei eigentlich weniger von Wichtigkeit, das Buch besticht durch seine Idee, seine völlig außergewöhnliche Sichtweise und seine überzeugende, auch der tollen Übersetzung geschuldete Sprache. Ein bisschen abgehärtet sollte man allerdings schon sein, dann macht die Lektüre ganz besonders Spaß. Alles eben so, wie man es von diesem Ausnahmeautor kennt und erwartet.

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