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Nebenan oder nebenher? Kristine Bilkau ist ein großartiges Portrait zweier durchschnittlicher Frauen gelungen. Der Roman ist ganz gegenwärtig und durch die Normalität der oberflächlichen Betrachtung, erscheint es uns als ob wir die eine oder die andere schon getroffen hätten. Wir arbeiten uns in beiden Figuren voran, tauchen ab und lernen peu á peu was in ihnen vorgeht. Da ist Astrid, Anfang 60, Landärztin und tief verwurzelt in diesem kleinen Nest am Nordostseekanal. Eine glückliche Ehe mit 3 Kindern, sie steht mit beiden Beinen fest im Leben, resolut und anpackend. Aber mit der Zeit merken wir Leser:innen, dass sich da doch was tut im Inneren, wenn viele verschwinden aus dem Ort, die eigenen Kinder sich nicht mehr melden. Ihre Sorgen keimen auf. Die andere Protagonistin ist Julia, 38 Jahre alt. Erst kürzlich in den Ort gezogen mit ihrem Partner Chris und mit einem Kinderwunsch, der sich bisher nicht erfüllen ließ. Beide gehören in die achtsame Welt der Umweltretter und wollen ihren Teil dazu beitragen, dass die Welt für die nächsten Generationen ein besserer Ort wird. Sie eröffnet einen Keramikladen im Nachbarort, aber wäre doch gerne mit ihren Sehnsüchten alleine. Es ist bereits der dritte Roman der Hamburgerin Kristine Bilkau und Schreiben gelingt ihr! Es liest sich wunderbar leicht und hat trotzdem diese Tiefen. Es gibt nicht nur das eine Thema, hier werden Fragen aufgeworfen, hier wird gedacht und die Charaktere reiben sich (meist an sich selbst). Ich habe den Roman als ausloten von Grenzen empfunden, wann wird kümmern zu einmischen? Wann ist es in einem kleinen Ort aufeinander achten und wann ist es schon Voyeurismus? Vor allem auch das Hinterfragen von Plänen, die für das eigenen Leben gemacht werden, stand im Mittelpunkt des Textes. Hält man strickt an ihnen fest oder sollte man die Zügel auch mal lockern um wieder atmen zu können? Und zu guter Letzt war natürlich ein Kernelement der Strukturwandel auf dem Land in den kleineren Ortschaften spürbar und wirft auch Fragen des gesellschaftlichen Miteinander auf. Fazit: Vielschichtig, kontrastreiche Lektüre - Absolut lesenswert!