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dajobama

Posted on 6.5.2022

Die Wut, die bleibt – Mareike Fallwickl Eine dreifache Mutter, die plötzlich und augenscheinlich völlig unerwartet vom Tisch aufsteht und sich vom Balkon stürzt. Warum macht jemand so etwas? Diese Situation wird auf einer einzigen Seite, brillant erzählt. Das ist die Ausgangssituation. Zwei Frauen, Helenes beste Freundin Sarah und Helenes älteste Tochter Lola, versuchen nun mit dieser Situation umzugehen. Die Handlung Helenes zu verstehen und zu verarbeiten. Beide Frauen machen im Laufe des Romans eine unglaubliche Entwicklung durch -allerdings in komplett gegensätzliche Richtungen. Helene steht für viele überforderte, von den Ehemännern allein gelassene, Frauen, die verzweifelt versuchen, allem und jedem gerecht zu werden und sich dabei selbst aus den Augen verlieren. Der Roman spielt während der Corona-Pandemie, die diese Situation für viele noch verschärft hat. Sehr bald stellt sich Sarah, Lola und dem Leser die Frage, wer wollen wir sein als Frau, in welche Rollen lassen wir uns drängen und warum ist es so schwer, für sich selbst einzustehen? Das ist ein sehr feministisches Buch, was mir zu Lesebeginn gar nicht so sehr bewusst war. Doch (leider) wurde ich von Helenes Geschichte, von ihren Beweggründen für ihre Verzweiflungstat, eiskalt erwischt. So viele Gedanken, Gefühle könnten meine sein. Es ist so wahr, was Fallwickl da schreibt. Sie legt den Finger in die Wunde und rüttelt auf. Das tut weh und ist schockierend real. Man fragt sich, wo genau ist es schiefgegangen…. Bei diesem Roman hatte ich ständig das Bedürfnis Parallelen zu ziehen, zwischen Geschichte und meiner Wirklichkeit. Gerade das zeigt, wie sehr es mich berührt und emotional mitgenommen hat. Wie oben schon erwähnt machen Sarah und Lola ganz unterschiedliche Entwicklungen durch. Mit Sarah konnte ich mich wesentlich besser identifizieren, mag auch am ähnlichen Alter liegen. Lola ist ein Teenager, der der Trauer um die Mutter mit Rebellion begegnet. Sie wendet sich dem Feminismus zu, das allerdings in einer für mich zu extremen Art und Weise. Doch auch ihre Sichtweise ist berechtigt und verständlich. Die Männer in diesem Buch kommen überhaupt nicht gut weg. Ich glaube, es gibt einen einzigen vernünftigen Mann in dieser Geschichte. Sie sind entweder abwesend, egoistisch und ignorant oder gleich gewalttätig. Der Fokus liegt eindeutig auf den Frauen, die lernen müssen, sich gegen diese Männer zur Wehr zu setzen. Sprachlich fand ich dieses Buch genial. Ein selbstverständlicher, flüssiger Schreibstil, immer wieder gespickt mit österreichischen Ausdrücken. Ich fand das sehr sympathisch und authentisch. Beinahe wird man gezwungen, sich mit diesen Frauen zu identifizieren. Auch wenn mir Lolas Entwicklung gegen Ende zu weit ging, bzw. ich damit nicht mehr viel anfangen konnte, hat mich dieser Roman gepackt und mitgerissen. Und mir vor allen Dingen Missstände aufgezeigt, über die ich mir bisher kaum Gedanken gemacht habe. Auf jeden Fall rüttelt diese Geschichte auf und regt zum Nachdenken auf. Deshalb von mir 5 Sterne.

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