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gwyn

Posted on 5.5.2022

Eine ergreifende, wahre Geschichte – ein Skandal! Phantastisch fühlte es sich für die jungen Frauen an, einen gutbezahlten Job bei der US Radium Corporation (USRC) in New Jersey zu erhalten! Eine Uhrenfabrik, ein sauberer Job, der den Frauen zu Lohn und mehr Freiheit verhalf, zu Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. Es waren die sogenannten strahlenden Zwanzigerjahre, im wahrsten Sinne des Wortes. Trotz, oder gerade weil die Prohibition den Alkohol verboten hatte, feierte man rauschende Partys, tanzte Charleston. Der Job war nicht schwer, die Frauen mussten täglich die Ziffernblätter von 250 Uhren mit Leuchtfarbe anmalen. Dazu feuchteten sie den feinen Pinsel mit den Lippen an, tauchten ihn anschließend in die Farbe und bemalten dann die Zifferblätter. 250 Mal täglich den Farbpinsel mit der Zunge befeuchten, mit den Lippen formen; man nannte das «Lip-Dip-Paint-Technik». Die Farbe schmeckt zwar nicht, aber gefährlich ist sie auf keinen Fall, versicherte man ihnen immer wieder. Doch das war eine große Lüge! Der Firma war das natürlich klar: Denn diese Leuchtfarbe enthielt Radium, genau darum leuchteten die Ziffernblätter im Dunkeln. Aber nicht nur das! Die Hände, Gesichter und Zähne der Frauen schimmerten in der Nacht wie die Uhren, was ihnen den Namen «Ghost Girls» gab. Und die modebewussten Frauen bemalten auch mal heimlich mit der teueren Farbe ihre Fingernägel, Gesichter oder Kleider, um auf einer Party im Dunkeln aufzufallen. Erste Bedenken kamen, als Mr. Sochocky aus dem Labor den Damen riet, die Farbe nie zu berühren, sie würde krank machen. Die Vorarbeiterin schritt sofort ein, das wäre Blödsinn. Doch dann beklagten immer mehr Arbeiterinnen Schwangerschaftsabbrüche, Gelenkschmerzen traten auf, die Zähne fielen aus, und weitere Symptome betrafen genau diese Frauen. Die ersten Arbeitnehmerinnen starben. Die Firma wies jede Schuld von sich. Nun suchten die Betroffenen, die noch am Leben waren, nach einem Anwalt, der sie in einer Klage vertreten sollte. Nicht einfach, denn alle wollten Vorkasse haben, man hatte auch kein Interesse sich mit einem großen Konzern anzulegen. Nach langer Suche erklärte sich ein Anwalt bereit, und sie klagten gegen die USRC. Freiheit und wirtschaftlicher Unabhängigkeit für Frauen durch Lohnarbeit – das Frauenwahlrecht wurde in den USA zu dieser Zeit eingeführt. Die wilde Zeit der Zwanziger, das alles verbindet dieses Drama. Mit der tragischen Geschichte wird aber auch der Missbrauch von Arbeitnehmer*innen durch Konzerne beschrieben. Sie wissen Bescheid, schicken die Arbeitenden ins Unglück; Hauptsache die Kasse stimmt. Arbeitsschutzgesetze mussten entstehen, da Unternehmer selten daran interessiert sind, denn Arbeitskleidung und Schutzvorrichtungen kosten Geld. Menschliches Leid zählt nicht. Es wird in diesem Comic ebenso das US-Justizsystem angeprangert. Damals mussten die Frauen Beweise vorlegen, die dokumentieren, dass ihre Krankheiten aus ihrer Arbeit resümierten. Heute muss der Unternehmer beweisen, dass er keine Schuld trägt. Aber noch immer ist es ein steiniger Weg, einen Konzern zu verklagen – überhaupt einen Anwalt zu finden, der dazu bereit ist. Den «Radium Girls» sind einige neue Gesetze zum Arbeitsschutz in den USA zu verdanken. Ihr couragiertes Vorgehen und alles was darauf an Gesetzesänderungen folgte, hat mit Sicherheit das Leben von anderen Menschen gerettet. Buntstiftzeichnungen, die sich im Farbspektrum Magenta bewegen – von zartem Rosa zu Burgund, bis zu Lilatönen und Dunkelblau. Dort wo das Radium leuchtet, setzt die Grafikerin Cy ein Neongrün ein. Feine Schraffierungen bis zum starken Strich; hier wird mit Strichstärke Markantes herausgearbeitet. Die Panels sind eher kleinformatig, ein paar sind einseitig, der Fokus liegt eher auf den handelnden Personen, nicht auf Weiträumigkeit. Eine feine Graphic Novel, die ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der Arbeitnehmer*innen beleuchtet, aber auch die Bewegung der Frauen, gleichberechtigt in der Arbeitswelt teilnehmen zu können. Der ersten große Arbeitskampf von Frauen! Cy betrachtet das Leben dieser Frauen, gibt ein Gefühl für diese Zeit. Es zeigt, wenn man mutig zusammensteht, nicht aufgibt, hat man eine Chance gegen übermächtige Konzerne. Der Carlsen Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 14 Jahren – passt – ab ... ein Comic auch für Erwachsene interessant. Cy. ist eine französische Grafikdesignerin, Illustratorin und Cartoonistin. Sie studierte an der École de Condé in Paris, wo sie nach einem BTS in Visueller Kommunikation einen Aufbaustudiengang in Illustration absolvierte. 2013 begann sie eine zweijährige Zusammenarbeit mit Madmoizelle.com, einer Website für Mädchen zwischen 12 und 30 Jahren mit 4,5 Millionen monatlichen Besuchern und über 260.000 Fans auf Facebook. Ihre Kolumnen zogen jede Woche zwischen 100.000 und 230.000 Besucher an! Seit 2015 veröffentlicht sie Videos auf ihrem YouTube-Kanal: Sie zeigt Speed-Zeichnungen und gibt Tipps zum Thema Grafikdesign. Im Januar 2018 etablierte sie dort ein neues Format mit dem Titel «Pub-à-clic», in dem sie Werbung analysiert. 2016/2018 veröffentlichte sie ihre ersten Comics unter dem Titel «Le vrai sexe de la vraie vie» beim Verlag Lapin Éditions.

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