Yvonne Franke
"Schnee über den Buchstaben" von Dagur Hjartarson kann man in zwei Sprachen lesen, wenn man kann. Immer links im isländischen Original und rechts in der deutschen Übersetzung von Wolfgang Schiffer, dessen eigene Gedichte ja auch gleich noch dran sind. Nun spreche ich zufällig kein Isländisch, aber es hat mir trotzdem Freude gemacht, es jeweils nach der Lektüre der Übersetzung zu versuchen. Wahrscheinlich, weil mir die Worte so nah kamen, dass ich kurz (wenn auch nur so ungefähr) hören wollte, wie sie klangen, als sie sich ursprünglich in Hjartarsons Kopf formierten. Dagur Hjartarson bricht die großen Lebensereignisse auf kleine Beobachtungen herunter, die sie rahmen oder erträglicher machen und kommt ihnen so besonders gut auf die Schliche. Denn kann es nicht sein, dass man, während die Liebste in Lebensgefahr operiert wird, die Zeit zu fassen bekommen möchte und sie zu diesem Zweck zum Beispiel mit der Dauer einer Reiseroute vergleicht, die man besonders gut kennt? ("So lange, wie es braucht von Reykjavík nach Hólmavík zu fahren"). Und klingt der Liebeskummer eines Baggerfahrers vielleicht auch in seinem Inneren nach schwerer Baumaschine? Möglich ist es. Sehr sogar.