sursulapitschi
Dieses Buch ist hinterhältig. Es schleicht sich an und gibt vor, lustig zu sein, lullt den Leser ein, der dann kaum bemerkt, dass das dicke Ende ein dickes Ende war. Ich habe den letzten Teil zweimal gehört, bis ich glauben konnte, was ich da hörte. Auf den ersten Blick ist es ein großer Spaß. Wir sind in England, wild romantisch an der Küste, man geht zum Strand und legt das Korsett ab, wenn keiner guckt. Lydia meinte, das große Los gezogen zu haben, als sie die Anstellung als Mädchen im respektablen Haushalt der Familie March bekam. „Er und seine Frau gehörten den Primal Saints an und sie verbrachten den Großteil ihrer freien Zeit in der Primal Hall in der Turner Street, einer wirklich unangenehmen Straße in Pflaume, Sandstein und Stille.“ Was köstliche Formulierung, denkt man, aber die Autorin hat gerade erst Luft geholt. „Zweimal am Sonntag und an einem Abend in der Woche erhob March sein vorsichtiges kleines Gesicht zu seinem Gott und die unwahrscheinliche Lautstärke seiner Gebete erstickte jedes Geräusch, das vom Imbiss oder der Kneipe um die Ecke kam. Keine leere Pommestüte wage es, sich durch die Turner Street entlangwehen zu lassen, wenn March für diejenigen betete, die lieber Pommes essend am Geländer lehnten, als über die Ewigkeit nachzudenken.“ Da kann man doch nur noch vor Ehrfurcht erschauern. Mit sanfter Ironie und nur ein klein wenig despektierlich seziert Jane Gardam eine Gesellschaft, malt ein treffendes Sittenbild, kreiert Typen, die originell und trotzdem so typisch sind. Es geht um Standesdünkel, Bigotterie, die englische Gesellschaft, die geheiligte Teatime und die Ignoranz von Erwachsenen, die so mit ihren Angelegenheiten beschäftigt sind, dass sie vergessen, nach den Kindern zu sehen. Dieses Buch ist große Kunst ohne Wortakrobatik, ohne Pomp, ohne Kitsch, schlicht, elegant, ein klein wenig böse und dabei durch und durch liebevoll. Das Hörbuch wird von Leslie Malton engagiert gelesen, man sollte nur das Tempo ein klein wenig anziehen. Es dauert 6 Stunden, 15 Minuten.