Profilbild von Buchdoktor

Buchdoktor

Posted on 25.4.2022

Simon Hage und Martin Hesse nutzen ihre exzellenten Kontakte, um sich bei den drei führenden deutschen Automobilherstellern zur Zukunft von E-Mobilität und innovativen Verkehrskonzepten umzuhören. Mit einem vom Umfang des entsprechenden Kapitels deutlich auf den VW-AUDI-Konzern der Ära Markus Duesmann gesetzten Schwerpunkt nehmen sie die Situation von VW-AUDI, BMW und Daimler unter die Lupe. Eine hochinteressante Besetzungsliste lenkte den Blick ihrer Leser dabei auf elf neue Namen (davon sind 2 Personen Chinesen, Elon Musk ist in Südafrika geboren und nur eine ist weiblich). Die Auswahl elf frischer Köpfe könnte eine zukunftsfähige, diverse Automobilindustrie repräsentieren - und das Ende starrer Hierarchien im Management. Der Abgas-Skandal im VW-Konzern und das damit überfällige Ende der Verbrennungstechnologie waren Symptom verknöcherter Strukturen und zwingen zum Handeln. Wer nach der Rolle von Li Shufu (Geely und Investor bei Daimler) und William Li (Nio) im erzwungenen Innovationsprozess fragt, kann nicht übersehen, dass deutsche Unternehmen sich zu lange auf den Lorbeeren deutscher Wertarbeit ausgeruht haben. Managementfehler, die u. a. direkt in den Dieselskandal führten, ignorierten die Rolle von Tüftlern, Quereinsteigern und Paradiesvögeln in Unternehmen bei der Entwicklung eines innovativen Mobilitätskonzepts. Welche Transportmittel für die Generation Y zukünftig zu diesem Transportsystem zu vernetzen sind, ist nur Teil des erforderlichen Konzepts, wie wir in Zukunft leben wollen. Hage/Hesse dokumentieren eingängig, wie Elon Musks forscher Schritt zur E-Mobilität den Trott deutscher Autobauer zugleich an 4 Punkten angreift: dem Innovationsdruck im Unternehmen, da Autobauer inzwischen mit IT-Konzernen um Marktanteile konkurrieren, drohenden Betriebsschließungen wegen sinkender Fertigungstiefe für E-Fahrzeuge, schrumpfenden Dividenden der Aktionäre und schließlich bei der in der Covid-19-Pandemie realisierten Abhängigkeit von Rohstoffen und Lieferketten und der daraus folgenden Absatzschwäche. Als Wirtschaftsgeschichte mit Focus auf Personen lässt sich „Aufholjagd“ problemlos auch von Automobil-Laien wie mir leicht weglesen. Die Zukunft deutscher Fahrzeugschmieden ist eher der Aufhänger für die dringend nötige Auseinandersetzung um die Zukunft von Arbeit und die der Unternehmenskultur. Das Buch zwingt zum Blick über den eigenen nationalen Tellerrand und entlarvt eine ganze Branche als bisher reformunfähig, da sie auf starre Befehlsketten im Unternehmen setzte. Wer selbst mit der Spaltmaßkultur konfrontiert ist, wird wenig Neues erfahren. Wie Ausnahmetalente wie Li und andere ins Management zu integrieren wären, damit sie eben nicht nach kurzer Zeit ein eigenes Unternehmen gründen, anstatt sich weiter durch die Hierarchieebenen zu quälen, bleibt für mich hier offen. Ein zukunftsfähiges Mobilitätskonzept erfordert Diversität – einschließlich der Tüftler, Paradiesvögel und Visionäre.

zurück nach oben