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kikiii04

Posted on 19.4.2022

Stella hat bisher nie das Bedürfnis verspürt, ein Liebesleben zu haben. Sie hat ihre Arbeit, ihre Routine – und das ist alles was sie braucht und liebt. Ihre Mutter ist da jedoch ganz anderer Meinung und versucht sie schon lange zu verkuppeln. Jeder einzelne Versuch endete in einem Desaster. In Beziehungen - ob physisch oder psychisch - ist Stella eine Niete. Wenn sie überhaupt irgendetwas dabei fühlt, dann ist es Ekel. Doch nun möchte ihre Mutter sie mit einem von Stellas Kollegen, der viel zu umschwärmt und erfahren auf sie wirkt, verkuppeln. Stellas Ehrgeiz ist geweckt und so beschließt sie, alles zu lernen, was sie können sollte, um begehrte Männer für sich zu gewinnen. Daher engagiert sie Michael, der als Escort arbeitet, als ihren Übungsfreund. Allerdings entwickelt sich das Vorhaben anders, als sorgfältig von Stella geplant. Denn Michael beweist: Jeder ist fähig zu lieben, wenn er nur den richtigen Partner hat. Nur das Michael das für Stella nicht sein kann… „Kissing Lessons“ ist ein Roman, auf den ich unglaublich neugierig war. Die Thematik klingt hochinteressant und definitiv einzigartig, Eine Autistin und ein Escort. So etwas liest man nicht alle Tage. Noch dazu ist die Geschichte hinter dem Buch sehr spannend, weil die Autorin Stellas Diagnose teilt. Realistischer könnte die Thematik also nicht dargestellt werden. Als ich zu lesen begann war ich direkt voll und ganz gebannt von der Geschichte. Zwar wird die Geschichte aus dritter Person erzählt (was ich persönlich nicht so sehr mag), aber durch die wechselnde Perspektive und die Art, wie Helen Hoang schreibt, habe ich den Schreibstil dennoch sehr gemocht. Zu den Figuren fand ich ebenso schnell einen Zugang. Stella ist eine sehr spezielle Figur mit Charakterzügen, die womöglich befremdlich wirken. Doch der Autorin gelingt es, jede ihrer Eigenheiten dem Leser auf ein Weise zu vermitteln, durch die man Stella wirklich versteht. Auch Michael als männlicher Protagonist mochte ich sehr. Er ist sehr vielschichtig und erst nach und nach werden seine einzelnen Seiten erkennbar. Besonders seine einfühlsame Ader mochte ich sehr. Neben den bisher genannten Aspekten kann ich zudem sagen, dass die Geschichte durchaus unterhaltsam war und lesenswert ist. Dennoch sind mir mit der Zeit Dinge aufgefallen, die mir nicht so zugesagt haben. Die Art der Liebesgeschichte zwischen Michael und Stella hatte ich nämlich nicht als solche erwartet. Explizite Szenen waren zu genüge enthalten – und für meine Geschmack zu viel. Daher wirkte die Beziehung, die sich langsam aufbaute, nicht … richtig auf mich. Ich kann nicht genau beschreiben, wie ich es beim Lesen empfand, aber ich weiß dafür umso genauer, was mich gestört hat: ich hatte das Gefühl, dass die Verbindung, also die Anziehung zwischen den Protagonisten rein körperlicher Natur war. Es war schlichtweg Begehren, eine rein körperliche Liebe. Und das würde ich nicht als Liebe bezeichnen. Die seelische Verbindung kam viel zu kurz. Hätte ich das vorhersehen sollen, können oder gar müssen? Vielleicht. Schließlich handelt bereits der Titel vom Küssen, etwas Physischem. Auch der Klappentext verrät, dass Stella den körperlichen Teil einer Beziehung lernen möchte. Das Cover wirkte jedoch viel lieblicher und hat mich vermutlich in die Irre geführt, wodurch ich irgendwie enttäuscht wurde. Weil der Mittelteil des Buches sich immer nur um das eine drehte, zig gleich ablaufende Szenen. Das wirkte sehr langatmig auf mich. Ich mochte auch den Steinzeit-Touch nicht, welcher der Lovestory anhaftete. Zu viel Eifersucht, zu besitzergreifendes Verhalten. Zum Ende hin wurde typischerweise ein Konflikt plaziert, der sich schon lange angekündigt hatte. Hier folgten dann Schlag auf Schlag krasse Veränderungen bezüglich der Charaktere, ihrem Denken und Handeln. Aber dies weckte den Eindruck, als müsste eine solche Entwicklung nun eben noch passieren, wie ein Punkt auf einer Liste, der noch schnell abgehakt werden muss. Mein Fazit: „Kissing Lessons“ besteht aus vielen Seiten – auch im übertragenen Sinne. Die einen Seiten mochte ich lieber, die anderen weniger. Das Buch hat einen starken Anfangsteil, wohingegen der Mittelteil meinen Geschmack nicht traf. Ich würde sagen, dass dieser Roman lesenswert ist. Und wenn man sich des großen Anteils von körperlicher Zuneigung bewusst ist, dann kann ich das Buch auch empfehlen. Den extremen Hype um die Geschichte verstehe ich offen gesagt jedoch nicht. Ja, die Thematik ist stark, aber das ist eben nicht das Einzige, was zählt. Von mir gibt es (leicht enttäuschte) 3 Sterne.

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