Gabriele
Dieses Buch hat mich sofort für sich eingenommen. Es zeigt das Leben eines Menschen, das alles andere als einfach war. Begonnen hat es kurz vor 1900, wann genau ist unbekannt. Egger war ungefähr vier Jahre alt, als er bei seinem Onkel, einem Bauern, einzog. Der nahm ihn nur auf, weil er einen Beutel mit Geld um den Hals trug und behandelte ihn nicht wie ein Kind, sondern wie einen Dienstboten. „Mit dreizehn Jahren hatte Egger die Muskeln eines jungen Mannes und mit vierzehn wuchtete er zum ersten Mal einen Sechzigkilosack durch die Luke auf den Getreideboden. Er war stark, aber langsam. Er dachte langsam, sprach langsam und ging langsam, doch jeder Gedanke, jedes Wort und jeder Schritt hinterließen Spuren, und zwar genau da, wo solche Spuren seiner Meinung nach hingehörten.“ (Seite 30) Er wurde 79 Jahren alt und konnte ohne Bedauern auf ein Leben zurückblicken, in dem er neben viel Arbeit die Liebe kennengelernt, einen Lawinenabgang überlebt und den Krieg mitgemacht hatte. Robert Seethaler, 1966 in Wien geboren, ist ein vielfach ausgezeichneter Schriftsteller und Drehbuchautor. Laut Wikipedia ist „Ein ganzes Leben“ aus dem Jahr 2014 sein fünfter Roman. Mir hat der Schreibstil des Buch ganz ausgezeichnet gefallen. In der rauen Berggegend, in der Andreas Eggers Leben angesiedelt wurde, fühlte ich mich auf Anhieb wohl. Ich konnte fast körperlich miterleben, wie sich das karge Leben zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts im Laufe der Jahrzehnte veränderte und sich dank der Bergbahnen ein beliebtes Touristengebiet entwickelte. Der sich verändernde Zeitgeist ist hervorragenden eingefangen. Dieses 185 Seiten umfassende Büchlein bekommt einen Ehrenplatz im Regal meiner Lieblingsliteratur.