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Posted on 16.4.2022

Wenn ein Roman detailliert Gewaltverbrechen erzählt, gebe ich auf, sobald ich merke, dass der einzige Zweck der Unternehmung eine Fingerübung für den Autoren oder die Autorin ist. Wenn das Grauen in neue Formen gepresst zu einem Scheinwerfer wird, der einzig und allein die Kunstfertigkeit der Schreibenden erstrahlen lassen soll. Dafür hab ich mit der Welt wie sie ist schon genug zu tun. Aber manchmal, in den kostbaren Geschichten, ist es eben anders. Samira Sedira, geboren in Algerien und in der Nähe von Paris lebend und schreibend, erzählt in "Wenn unsere Welt zerpringt" von einer Tat, die grausamer kaum vorstellbar ist. Vielleicht zuallererst, weil sie in einer Welt geschieht, die licht ist und still. In der man einander kennt und in der man auch in harten Zeiten aufgefangen ist. Ein französisches Bergdorf an beiden Ufern eines Flüsschens erbaut. Dort nimmt man auch die nervtötenden Angewohnheiten der Menschen, die man seit seiner Geburt kennt, mit wohlwollender, wertschätzender Milde auf. Wie in einer immer dagewesenen Freundschaft, die niemand mehr hinterfragt. Erzählt wird die Geschichte allerdings von der Frau eines Mörders. Er war Teil dieser Gemeinschaft, bis er aus unerklärlichen Gründen eine fünfköpfige Familie tötet. Es ist eine Geschichte von tiefsitzendem, seltsam selbstverständlichem Rassismus. Dem Rassismus von Menschen, die sich für nicht rassistisch halten. Und eine Geschichte von dem Druck, jemand sein zu müssen, aus der Masse herauszustechen und von der Schuld, die nie den Täter allein trifft. "Wenn unsere Welt zerpringt" ist eine harte, fordernde Lektüre, aus der man aber mit geschärftem Blick und etwas weniger allein hervorgeht.

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