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sursulapitschi

Posted on 14.4.2022

Bei diesem Buch braucht man einen sehr langen Atem. Ich habe es mehrfach beiseite gelegt und dann doch wieder weitergelesen. Es ist ausführlich, weitschweifig, endlos lang und dann auch noch in Zwergenschrift gedruckt, aber es ist auch grandios erzählt und faszinierend. Die ersten 200 Seiten meint man, man liest wirklich lange Kurzgeschichten, die irgendwie mit Bäumen zu tun haben, originell sind, aber trotzdem am Geduldsfaden zerren. Danach kommen Dinge zusammen, aber auch da muss man satte acht Handlungsstränge überblicken. Es ist eine Herausforderung, auch ein bisschen eine Zumutung, aber das Thema fasziniert. „Kein Mensch sieht Bäume. Wir sehen das Obst, wir sehen Nüsse, wir sehen Holz, wir sehen Schatten. Wir sehen schöne Formen, hübsches Herbstlaub, Hindernisse, die eine Straße versperren oder Gefahr auf einer Skipiste bedeuten. Dunkle, bedrohliche Orte, die dringend gelichtet werden müssen. Wir sehen Äste, die womöglich das Dach zerschlagen. Wir sehen eine Nutzpflanze. Aber Bäume – Bäume sind unsichtbar.“ Hier versammeln sich die unterschiedlichsten Menschen, für die Bäume eine besondere Rolle spielen, Künstler, Nerds, Wissenschaftler, Aktivisten, Esoteriker und sogar ein Game-Entwickler. Patricia Westerford ist zum Beispiel davon überzeugt, dass Bäume intelligente Lebewesen sind, mit einem eigenen Kommunikationssystem und dass sie auf vielfältige Weise das Zusammenspiel von Flora und Fauna regeln. Wer einem ihrer Vorträge lauscht, ist schnell überzeugt. Ich bin tief beeindruckt von dem Ideenreichtum, der Rechercheleistung und auch von der exquisiten Sprache, in der dieses Buch verfasst wurde. Es unterhält, amüsiert, öffnet Augen und macht auch sehr betroffen. Straff gekürzt wäre es ein absolutes Mustread, so ist es ein Highlight für Leser mit Biss. Es kann halt nicht jeder die Welt retten.

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