sursulapitschi
Dieses Buch ist eine Überraschung und ein Erlebnis. Ich habe so etwas noch nie gelesen. Hier wird ganz lose eine Familiengeschichte erzählt, aber eigentlich geht es um die Pyrenäen in jeder Hinsicht. In diesem Gebiet ist viel passiert und man ist versucht zu denken „Wenn Berge sprechen könnten…“. Diesen Gedanken spinnt Irene Solà weiter. Bergbewohner, aber auch alle anderen Wesen, tot oder lebendig, Menschen, Pflanzen, Tiere, Geister, Sagengestalten und sogar die Berge selbst kommen hier zu Wort und erzählen ihre Geschichten, die alle leidvoll sind. Die Perspektiven wechseln in jedem Kapitel, man muss sich immer wieder neu orientieren und rätseln, wer denn jetzt wohl erzählt. Das ist knifflig aber auch amüsant. Der Stil ist originell und eindringlich, irgendwie skurril-poetisch-liebevoll, ein bisschen märchenhaft. Tiefe Trauer spricht aus jeder Zeile. Handlung und Atmosphäre bieten ein ganz besonderes Spiel zwischen Sagenhaftem und Realität, manchmal skurril bis makaber, aber mit einem ganz eigenen Charme. Es ist doch auch ein bisschen tröstlich, wenn mitten in einer grausigen Geschichte, ein Toter noch munter Gedichte rezitiert. Ich bin sehr beeindruckt von diesem Buch, das so elegant alte und neue Geister mit Gegenwart und Historie verknüpft, ganz leicht von Tragödien erzählt, alles nur angedeutet, hingetupft, und bei aller Dramatik den Eindruck hinterlässt: So ist die Natur und das Leben, mal grausam, mal bereichernd, aber auch unglaublich vielfältig. Man sollte öfter mal über den Tellerrand schauen.