Gabriele
Der Weg in die Freiheit Bisher hatte ich noch nie von Gianni Jovanovic gehört. Erst eine begeisterte Rezension seines Buches hat mich auf ihn aufmerksam gemacht. Nach dem Hören seiner Geschichte hat er sich in mein Gehirn eingebrannt. Jedesmal, wenn mir nun ein Rom oder Sinti begegnet, werde ich daran denken, welche Regeln in diesen Bevölkerungsgruppen herrschen, wie sie ausgegrenzt werden und welchen Traditionen sie unterworfen sind. Eigentlich habe ich mich für einen toleranten Menschen gehalten. Doch dieses Buch hat mir klar gemacht, dass auch ich in Vorurteilen feststecke. Diese Sprüche „nehmt die Wäsche von der Leine, die Zigeuner kommen“ waren in meiner Kindheit gang und gäbe. Manchmal kam ein Wanderzirkus in unser Dorf und die Kinder gingen ein paar Tage zu uns in die Schule. Ich fand es schön, wenn sie im Unterricht von ihrem Leben erzählten und wir sie nachmittags bei ihren Kunststücken im Zirkus bewundern konnten. Doch was wussten wir von dem Leben der Fahrenden? Seit ich dieses Buch gehört habe, weiß ich, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass 14jährige verheiratet werden, dass 16jährige schon Kinder haben. So wie Gianni Jovanovic, dessen Eltern aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland gekommen sind. Er selbst wurde 1978 in Rüsselsheim geboren und hatte mit 17 schon zwei Kinder. Dass er schwul war, hat niemanden interessiert. Mit 20 begann er sich zu outen. Inzwischen ist er glücklich mit einem Mann verheiratet und kämpft intensiv für die Rechte der Roma und Sinti. Meine Achtung für seinen Einsatz steigerte sich von Stunde zu Stunde des Zuhörens. „Deutschland tut oft verdammt weh“, sagt der Mann, der zurecht stolz auf seine Leistung ist. Er hat es von der Sonderschule bis zum Bachelor geschafft. Als Ziel hat er sich die Inklusion von „Persons of Colour“ in die Gesellschaft gesetzt. In seinem gut gegliederten Buch, das er zusammen mit der Journalistin Oyindamola Alashe geschrieben und selbst sehr emotional eingelesen hat, erzählt er von den Schönheiten und Problemen seiner Kindheit, von seiner Persönlichkeitsentwicklung, vom Familienzusammenhalt und von seiner sexuellen Ausgrenzung. Unvoreingenommen zuzuhören fällt nicht immer leicht. Denn es tut weh, wenn sich unerwartet die eigenen Vorurteile melden. Fazit: Ein Buch, dem man viele Leser und Hörer wünscht, damit jeder einmal darüber nachdenkt, wie sich die Zukunft für die Randgruppen der Gesellschaft verbessern ließe.