Profilbild von marcello

marcello

Posted on 30.3.2022

Als von Kara Atkin die San Teresa-Trilogie erschienen ist, hatte ich zunächst doch etwas Probleme bei dem ersten Band, aber ich habe geahnt, dass es sich lohnen würde, am Ball zu bleiben und das hat sich mit den beiden nachfolgenden Büchern mehr als bewahrheitet, denn beide haben mich mit ihren Paarungen wirklich sehr berührt. Deswegen war ich sehr gespannt, als ihre neue Dilogie angekündigt worden ist. Als ich gelesen haben, dass diese in Südkorea, genauer in Seoul, spielen wird, war ich schon nicht mehr so überrascht, wie ich es noch bei Anne Pätzold war, die ebenfalls deutlich über den Tellerrand hinausgeschaut hat. Deswegen hat es mich sogar im Gegenteil fasziniert, mit Atkin ebenfalls in dieses für mich doch immer noch kulturelle Neuland einzutauchen, da es eben auch eine andere Perspektive ist. Zudem spielt die Dilogie eben vollständig vor Ort, was auch noch einmal ganz andere Möglichkeiten bietet. Während sich Pätzold vor allem auch um K-Pop gekümmert hat, habe ich es hier sehr genossen, auch viel mehr über die Ortschaften, die Konventionen etc. zu erfahren. Bleibe ich doch beim richtigen Eintauchen in den Inhalt gleich bei der Darstellung von Seoul. Ich habe nicht nachrecherchiert, ob Atkin selbst schon vor Ort war, aber so wie sie mich in eine andere Welt entführt hat, kann das gar nicht anders sein. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass es ihr ganz hervorragend gelungen ist, mich mit auf eine ferne Urlaubsreise zu nehmen und mir mit fiktiven Umständen etwas vertraut zu machen, was ich bis dato gar nicht kannte. Das Schöne ist auch, dass wir komplett in der Perspektive von Jade bleiben, so dass wir stets mit ihr die Neue bleiben und daher immer fleißig weiter das neue Land erkunden können. Aber nicht nur die Landschaft, die Gestaltung der Stadt und Ähnliches nimmt Raum ein, sondern auch die Sprache, wo immer mal wieder kleinere Hinweise eingestreut werden. Das war wirklich sehr spannend und alleine deswegen bin ich schon auf „Golden Seoul Days“ gespannt und was mich dort wohl alles noch erwarten wird. Wenn wir jetzt zur eigentlichen Geschichte kommen, dann ergibt sich ein etwas ambivalenteres Bild und meine bedingungslose Euphorie ist nicht mehr ganz so ausgeprägt. Insgesamt ist es wieder ein toll zu lesendes Buch, aber die Passagen, wo ich gedanklich wegdriftete und wo ich wirklich eins mit der Geschichte war, das hat sich zu sehr abgewechselt, denn eigentlich will ich durchgängig gefesselt bleiben. Ein Hauptgrund für diesen Eindruck ist sicherlich, dass die Geschichte teilweise zu ereignislos ist. Ereignislos ist nicht automatisch schlecht, weil ich es auch oft genug großartig finden, wenn wirklich emotional in die Tiefe gegangen wird, aber speziell hier bei „Blue Seoul Nights“ hat es mich regelrecht dazu gedrängt, mehr zu erleben. Ich bin zwar wahrlich keine Partymaus, aber die Szene recht am Anfang, als Jade zum ersten Mal aus ist und Hyun-Joon kennenlernt, die war voller Leben. Aber auch die Gemeinschaft der Figuren mit Lauren, David und Co, das hat einfach Lust auf mehr gemacht. Aber je näher Jade Hyun-Joon kommt, desto mehr beschränkt sich diese Geschichte nur noch auf die beiden und alles andere wurde zunehmend ausgeblendet. Jades Erkundungstouren haben wir dann eher nur noch aus Erzählungen denn aus Live-Erlebnissen mitbekommen. Stattdessen waren wir dann in vielen Gedankenspiralen drin, die sich immer wieder wiederholten, ohne dass wir aber entscheidend vorangekommen wären. Deswegen hatte ich an einigen Stellen leider das Bedürfnis, das Geschehen einmal vorzuspulen. Dennoch bin ich natürlich am Ball geblieben, zumal dann eben mit Suizidalität ein wichtiges Thema angegangen wird, das solche Gedankenspiralen auch braucht, um ihm gerecht zu werden. Man konnte Jades inneren Kampf schon gut nachvollziehen, aber vielleicht konnte ich auch nicht alles mit ihr so mitgehen, weil sie oft inkonsequent wirkte. Wie sie ihren besten Freund Chris stellenweise behandelt hat, das konnte ich nicht einfach mit Trauer für okay erklären lassen. Schließlich haben stellenweise aber auch die Zeitsprünge nicht geholfen, weil Chris gerade noch Geldprobleme hat und im nächsten Moment ist Jade mit zwei Jobs beschäftigt und läuft wie eine lebende Leiche durch die Gegend. Deswegen häufen sich bei mir die Hinweise, dass eher handwerklich diesmal nicht alles gestimmt hat, während die Geschichte eigentlich an sich alles hatte, was man braucht. Erst zum Ende hin würde ich auch dort Kritikpunkte finden, denn Hyun-Joon wurde in eine Ecke gedrängt, die ich glaube ich unfair gegenüber ist und Jade wiederum sprach mehrfach davon, sie sei süchtig nach ihm, um es dann okay zu finden, jahrelang von ihm getrennt zu sein. Hier sollte natürlich auf einen Cliffhanger hingearbeitet werden, aber das war zu gekünstelt. Leider. Fazit: „Blue Seoul Nights“ ist grundsätzlich ein unterhaltsames Buch, das überzeugend in eine für mich fremde Welt einführt und mich heimisch fühlen lässt. Jedoch ist das Buch handwerklich nicht konsequent genug gestaltet, was sich irgendwann auch auf die Figuren auswirkt. Richtige starke Passagen sind so auch mal mit Flaute abgewechselt, aber dennoch freue ich mich auf den Abschlussband.

zurück nach oben