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Metamorphose Ein bizarres Buch! Das Buch "Bär" von Marian Engel ist schon im Jahr 1976 herausgekommen, war mir aber bisher vollkommen unbekannt. Damals wurde es ausgezeichnet. Was in meinen Augen völlig nachvollziehbar ist, so denke ich, jetzt, nach der Lektüre. Ob dieses Einschlagen des Buches bei mir und anderen Lesern im Hier und Heute mit der Corona-Zeit zu tun hat, wie Kristine Bilkau im Nachwort vermutet, in den Raum stellt. Ich weiß nicht, in meinen Augen hängt dies eher mit der Thematik des Buches zusammen. Diese Thematik hätte mich auch ohne die Corona-Zeit umgehauen. Vermute ich hier einfach einmal. Diese Thematik, die bizarr, kontrovers zu betrachten und absolut eigentümlich ist. Aber ebenso ist das Buch auch wirklich richtig spannend. Ich konnte es nicht weglegen, fühlte mich gefesselt von der schreibe. Und "Bär" ist thematisch einerseits einzigartig und andererseits wieder durch die feministische Betrachtungsweise nicht ganz so selten. Aber die Darstellung in der Bären-Thematik ist einzigartig. Und nachhallend. Ebenso ist das Buch von Marian Engel aber auch etwas verstörend. Aber genauso löst es auch einen Beifall in mir aus. Margaret Atwood tituliert es als ein seltsames und wundervolles Buch. Und gerade dies will etwas heißen in meinen Augen. Denn wenn diese Ausnahmeautorin, ja, diese Königin unter den Schreibenden, ein Buch lobt, ist es auf jeden Fall lesenswert. Hier darf man ja nicht vergessen, dies ist die Autorin von "Der Report der Magd". Und die Autorin des Reports nennt "Bär" wundervoll. Was ja schon klingt, wie bitte unbedingt lesen. Und damit wäre ja dann dieses Anrüchige, welches manchmal kritisiert wurde, in meinen Augen hinfällig. Eine unterwürfige Bibliothekarin, Lou, von der patriarchalen Welt erzogen und geformt, hört den Befehl ihres Beschützers und ihres Direktors, der sie auch ab und zu auf dem Schreibtisch penetrieren darf, und eilt auf eine Flussinsel in den hohen Norden Kanadas, nach Cary Island in Ontario, um den Nachlass von Oberst Jocelyn Cary zu sichten und zu katalogisieren. Dort auf dieser Insel, in einem einzigartigen und auch schönen Haus, ist sie allein und auf sich gestellt, ohne einige Vorteile der segensreichen Zivilisation, wie zum Beispiel den heiligen Strom und muss zu dem noch einen Bären versorgen, was sie erst dort erfährt. Das Frauchen mutiert in der völlig neuen Umwelt zu einem neuen Weibsbild, welches ihre eigene unschöne und sie nicht befriedigende Situation hinterfragt, aber auch die patriarchale Welt und Lebensweise und die Eroberung der neuen Welt kritisch beäugt. Gleichzeitig entdeckt sie auch eine neue Sinnlichkeit und einen neuen Blick auf die Natur, von der sie selbst ja auch ein Teil ist. Besonders die Szene mit dem lebenden Bärenfell und dem Kamin fand ich so köstlich, so viele Anspielungen sind da enthalten, dass man brüllen will vor Lachen und begeistert Bravo rufen möchte. Lou beschließt nach der Beendigung ihrer Arbeit, die sie in den letzten Wochen noch etwas hinauszögert hat, ihre Situation zu überdenken und zu verändern. Als sie ihre Insel verlässt, ist ihr der von fremden Händen gesponnener Kokon zu klein geworden und aus einer kleinen unscheinbaren Larve ist ein schillernder Schmetterling geworden und man gratuliert ihr zu diesem Werdegang! Besonders das Nachwort von Kristine Bilkau ist hier sehr erhellend und absolut interessant. Danke dafür! und danke für die Unterstützung dieses wunderbaren Buches, liebe Kristine. Danke an den btb-Verlag für das neu Herausbringen dieses eigenartigen Romans, mit diesem besonderen Lesesog.