hermunduh
Wenn die Bienen Trauer tragen (ist irgendwas anders) Die großen Themen sind immer die kleinen Themen. Im Frühjahr bringt Torsten Schulz mit Öl und Bienen einen Roman heraus, der mich restlos begeistert. Die Freuden des Alkohols sollte man nicht unterschätzen. Das weiss Schulz, bzw. wissen seine drei männlichen Protagonisten in Öl und Bienen aus langjähriger Erfahrung. Neben dem Hören von Rockmusik westlicher Machart (Deep Purple, Black Sabbath, Led Zeppelin usw.) ist beispielsweise ihre Hauptbeschäftigung das gemeinsame fachgerechte Trinken von Bier und Wurzelpeter. Ab einer bestimmten Menge dieser göttlichen Mische verfallen die drei beim Musikhören in eine Art Trance, die sich in sehr unterschiedlichen, Tanzritualen äußert. Wir haben das Jahr 1979, irgendwo in einem Nest im Havelland, sitzen der Ihmsche und zweit weitere exquisite Ausgaben der Marke Mann auf des Ihmschhen Couch. Der Ihmsche war vor einem Arbeitsunfall ein fleißiger Maurer. Auch seine beiden Freunde sind reichlich versehrt. Dem einen fehlt ein Fuß, dem anderen macht nicht nur der Blutdruck schwer zu schaffen, weshalb er auf den schönen Namen Blutblase hören darf. In der Küche wirbelt (noch) des Ihmschen recht bösartige Mutti, alias Mutsch, die des Ihmschen erdölsuchenden Vater (gestorben im Krieg) nie verzieh, dass dem einzig nach Erdöl der Sinn stand. Jawoll! Als aus dem Nichts erst Bienen als Boten des Schreckens erscheinen und nach Mutschs recht schnödem Ableben ein Schwarm heiratsverrückter Damen die chillige Friedhofsruhe der drei Helden gefährdet, nimmt die Story furios Fahrt auf. Schulz lebt inzwischen manchmal in Berlin und meist in Mecklenburg in einem kleinen Dorf mit einer funktionierenden Gemeinschaft. Eine Kneipe gibt es leider nicht, dafür ein Volleyballfeld für alle und einen permanent rotierenden Stammtisch. Herr Schulz kommt vom Film und unterrichtet hin und wieder Elevinnen im Drehbuchschreiben. Seine Dialoge sind inspiriert. Wie jeder gute Autor liebt er seine Figuren und lässt uns teilhaben an ihren noch so bonfortionösen Fisimatenten, dass es eine Lust ist! Obgleich ich bei Lektürebeginn ein wenig Angst hatte, er würde mich, wie so viele altgewordene ostsozilaisierte WortMeisterinnen, mit einem Dorfroman langweilen. Achtung Halbspoiler! Das oft und gern von superguten Menschen angemahnte Bienensterben spielt keine Rolle in Torsten Schulz‘ neuen Roman. Obgleich er früher mal ab und an am Rand des Ostalgie-Chores mitmaulte, hat er sich nunmehr freigelaufen/gestrampelt und widmet sich aufs vorzüglichste den strangen Außenseitern, den wunderbar irren Träumern. Öl und Bienen ist ein witziger, hintergründiger, mehrdeutiger, fantastischer Wonneproppen von Buch. Spätestens als Superfrau Agnes auftauchte, schmolz alles in mir und ich ergab mich ganz dem Lesefluss „Sie schüttelte ihre Mähne, stieg aufs Motorrad und fuhr die knapp hundert Meter bis vors Gartentor des Ihmschen. Das Tor war verschlossen. Mit einem Fußtritt öffnete sie es. Auch die Eingangstür war verschlossen. Ja klar, das sieht ihm ähnlich: abtauchen, totstellen. Sie hatte keine Lust mehr, nach ihm zu rufen. Wieder ein Fußtritt, doch der reichte nicht aus. Sie nahm die Arme vor die Brust, spannte die Muskeln ihres Oberkörpers und warf sich gegen die Tür.“ Wie es weiter geht und auf welch geniale Weise Schulz das Öl und Bienen-Welträtsel löst, lesen Sie am besten selbst in diesem großartigen Buche des literarisch wieder zum Leben erwachten Altmeisters Torsten „Boxhagener Platz“ Schulz.