daniliest
In „Das Stranddistelhaus“ erzählt Lina Behrens gleich drei verschiedene Geschichten. 1933 versucht Silvia ihren Mann, den kritischen Journalisten Joachim, vor den Nazis zu beschützen und flieht mit ihm nach Spiekeroog. In den 60er Jahren lebt Viola ein ziemlich einsames Leben auf eben dieser Nordseeinsel. Sie kümmert sich um ihre Mutter, die Krebs im Endstadium hat und ist unglücklich in ihren älteren, verheirateten Chef verliebt, mit dem sie ein Verhältnis hat. Der dritte Erzählstrang spielt in der Gegenwart. Rieke wird von ihrem Mann verlassen und erleidet einen Hörsturz. Bei der Renovierung ihres seit Jahren vernachlässigtem Strandhauses hofft sie, auf andere Gedanken zu kommen. Durch die komplett unterschiedlichen Geschichten liest sich der Roman sehr kurzweilig und abwechslungsreich, auch über eine längere Zeit hinweg. Was mich erst etwas gestört hat war, dass die Handlungsstränge im Grunde komplett unabhängig von einander sind. Bei zweien kristallisiert sich gegen Ende eine Verbindung heraus, für die Handlung selbst ist diese allerdings bedeutungslos. Letztendlich vereint der Roman drei Kurzgeschichten. Wenn man sich damit angefreundet hat, findet man ein ausgesprochen lesenswertes Buch. Die Idylle auf dem Cover mag täuschen, denn hier kommen durchaus ernste Themen auf den Tisch. Die Protagonisten müssen einiges durchmachen und lernen, dass ein erfülltes Leben nicht unbedingt das typische Familienmodell bedeutet. Lina Behrens scheut nicht davor, ihren Charakteren ein Bilderbuch Happy-End zu verwehren. Genau deswegen wirken die Geschichten so authentisch. Besonders bewegt haben mich die Kapitel über Silvia, die buchstäblich um Leben und Tod kämpft. Die Probleme der beiden anderen Frauen wirken im direkten Vergleich etwas banaler. Ich habe alle drei Frauen sehr gerne begleitet. Die Insel Spiekeroog wird so wunderbar beschrieben, dass sich beim Lesen Meerweh einstellt. Ich fand „Das Stranddistelhaus“ sehr gut gelungen und bin froh zu diesem Buch gegriffen zu haben.