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Buchdoktor

Posted on 24.3.2022

Der Sommer 1999, als sich ein Teil der Welt vor dem Millennium-Bug zu fürchten begann, war für Pascal/genannt „Krüger“ ein besonderes Jahr. Rückblickend in der Ichform verfasst, erfahren wir von einem 15-Jährigen, der begeistert schreibt und sein Notizbuch stets dabei hat. Aber über was soll ein Jugendlicher in einem bayrischen Provinz-Kaff nahe der tschechischen Grenze schreiben, wo es immerhin einen Stadtpark gibt und den privaten Skulpturenpark der betagten Steinmetzin. Krüger trägt außerdem an dem Problem, dass er sich auf keinen Fall beim Sport oder am Badesee ausziehen will. Anstatt seinen Lieblingssport zu trainieren, wird er den Sommer über zur Untätigkeit verdammt sein. Seine Beziehung zu Busenfreund Viktor ist geprägt von dessen strengem Vater, dem „Sergeanten“, der ausgerechnet Krügers Lateinlehrer ist. Der Sergeant wünscht, dass sein Sohn die Ferien nicht untätig vertrödelt – und so tragen beide gemeinsam das Wochenblatt aus. Als für wenige Tage ein Zirkus in die Stadt kommt, begegnen die Jungen der rothaarigen Jacky, die Krügers Auseinandersetzung mit der männlichen Rolle einen speziellen Drive verpasst. Jacky tritt nicht nur als Messerwerferin auf, sie bietet dem übermütigen Panther des Zirkus die Stirn – und interessiert sich für Krügers Geschichten. Krüger hat offensichtlich Talent, Gefühle und Gerüche eines Sommers zum Leben zu erwecken. Die 90er des vorigen Jahrhunderts hat er demnach als Epoche erlebt, in der das Haben weit vor dem Sein rangierte und das er heute Lesern seiner Generation mit dem Aufrufen von Markennamen in Erinnerung bringt. Für einen angehenden Autor muss es unbefriedigend gewesen sein, Dinge zu etikettieren, anstatt sie zu beschreiben. In diesem Abschnitt hätte ich mir weniger Chronistentätigkeit und mehr ironische Distanz zu Dingen gewünscht, die alle besitzen wollten und an denen sie sich gegenseitig erkannten. An wenigen Tagen im Sommer geschieht am Zufluss der Naab in die Donau erstaunlich viel und der Schluss des kurzen Romans konnte mich überraschen. Aus der Masse der Coming-of-Age-Romane dieser Saison ragt Krügers Problem mit dem Schwimmen nicht hervor.

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