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joberlin

Posted on 24.3.2022

"Nachtbeeren wachsen büschelweise …. dichtgedrängt beieinander …. sie lassen einander nicht allein" – so beschreibt Elina Penner die titelgebende Pflanze und natürlich bezieht sich das auch auf die Familie ihrer Protagonistin Nelli, die als Spätaussiedlerin, Russlanddeutsche, Mennonitin mit ihrer Großfamilie nach Deutschland kommt. Das Thema interessiert mich sehr - und das Beste: Der Roman beginnt spritzig, liest sich ganz wunderbar. Die Autorin lässt Nelli und diverse Familienmitglieder nach und nach zu Wort kommen, authentisch wirkt das, besonders auch durch eingestreute Plautdietsch-Schnipsel, der traditionellen niederdeutschen Sprache der Mennoniten. Doch was so originell, so außergewöhnlich gut beginnt, entwickelt sich für mich nach und nach zum Ärgernis. Zwar stellt Elina Penner die Zerrissenheit der Aussiedler durchgängig gut und glaubwürdig dar - dabei wird die alte Heimat Russland zunehmend verklärt, die neue zunehmend geschmäht, so kommt es, dass man sich auch 30 Jahre nach Ansiedelung in Deutschland nirgendwo zuhause fühlt. Die Autorin nutzt bei ihrer Darstellung gängige Vorurteile, die Männer trinken, die Frauen sind grellbunt, alle essen zu viel, an Altem wird beständig festgehalten. Depression macht sich nicht nur bei der Protagonistin bemerkbar, die mir mit ihrem Lamento gehörig auf die Nerven geht. Die Kirche vermittelt ihr zwar eine gewisse Stabilität, trägt aber auch zum Verharren in alten Strukturen bei, eine Entwicklung dieser Frau ist für mich kaum erkennbar. Obwohl in Deutschland aufgewachsen, hält sie sich selbst mit Rückschau auf – und das ist in durchgehender Wiederholung im Roman zu einfach und zu langweilig. Einziger Lichtblick und Hoffnungsträger ist der junge Jakob, der Sohn Nellis, ihm wird viel zugemutet, doch überkommt er in einer festen, frischen, neuen Art alle von der Familie in den Weg gelegten Hürden. Schade, dass er im Romangeschehen nicht im Mittelpunkt steht. Fazit: Elina Penner hatte eine tolle Romanidee, die intendierte Struktur – zwischen spritzig-witzig und stur und starr – ist wunderbar, doch leider kann sie dies in ihrem Debüt nicht in vollem Licht präsentieren, es mangelt an Facetten und es gibt zu viele stumpfe Wiederholungen. Und doch – ich bin gespannt auf den nächsten Roman, sie wird ihr Potenzial dann gefestigter ausschöpfen können.

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