andersleser
Zu aller erst habe ich eine Anmerkung zum Klappentext, denn das ist mir sehr wichtig und darauf möchte ich aufmerksam machen. Damit man auch als Leser ein bisschen aufmerksamer daran geht. Dr. Jekyll ist NICHT Bipolar und es ist meiner Meinung nach ziemlich katastrophal, vor allem für Betroffene, diese falsche Bezeichnung im Klappentext zu benutzen und so ein falsches Bild gleich zweier Krankheitsbilder zu erzeugen. Mal davon abgesehen, dass ein von einer Psychologin (mit)geschriebenes Buch mit solch einer Fehlbezeichnung im Klappentext nicht gut ankommt und auch auf diese ein schlechtes Licht wirft, denn solange man den Inhalt nicht kennt, fragt man sich stark, wo dieser Fehler herkommt. Interessanterweise ist im Buch gar nicht die Rede von einer Bipolaren Störung. Natürlich kommt da die Frage auf, warum man es dann noch so stark im Klappentext, immerhin als zweites Wort, nennen muss, oder ob jemand da entweder das Buch gar nicht kannte, oder sich nicht informiert hat. Umso erleichterter bin ich, dass während der ersten 50 Seiten die tatsächlich infrage kommende Diagnose einer Dissoziativen Identitätsstörung genannt wird, zusammen mit anderen Diagnosen und diese auch tatsächlich erklärt wird, sogar erwähnt wird, womit man sie nicht verwechseln soll. Trotzdem halte ich es bei einem Klappentext, der deutlich öfter als das Buch gelesen wird, für sehr schlecht gewählte Worte, die anderen Menschen schaden können - denn die meisten Leute wissen grob wer Dr. Jekyll ist und wie es sich mit Jekyll und Hyde verhält. Es werden zu schnell verschiedene Begriffe zusammen in einen Topf geschmissen, und so als ein und das selbe gewertet. Hier hat man durchaus eine Verantwortung, denn nicht jeder kennt die richtige Bedeutung von solchen Diagnosen. Aber kommen wir zum eigentlichen Buch, denn das ist wirklich richtig cool gestaltet. Es gefällt mir wirklich gut, mit den Akten und verschiedenen Bildern, Ausschnitten aus Texten der Literatur und Fachliteratur. Es ist von dem her ein tolles Buch geworden und definitiv etwas anders, da man es eher in Protokoll oder Drehbuchart liest. Es ist also kein "normaler" Roman, da wir aufgezeichnete Therapiesitzungen zu lesen bekommen. Ansonsten gibt es da noch Emails und Eintragungen in ein Arbeitsheft, aber es ist jetzt keine solche Interaktion wie in Romanen. Das gibt den Ganzen eine ganz witzige Wirkung, auch in Hinblick dessen, dass die Psychologin ja verschwunden ist (auch wenn das nicht wirklich thematisiert wird) Einen Kriminalfall darf man hier aber auf keinen Fall erwarten, jedenfalls empfinde ich es so. Beim Lesen vergisst man das sehr schnell und auch so wird da nicht wirklich viel drüber gesagt, es fixiert sich sehr stark auf die einzelnen Akten und Sitzungen und natürlich auf die Psychologische Sicht auf die "Monster", wie der Titel ja schon anmerkt. Natürlich könnte man meinen, man solle ja selber in die Ermittlerrolle schlüpfen. Dennoch fehlt dieses Gefühl beim Lesen komplett. Manche Sitzungen hätte ich mir ausführlicher gewünscht, z.B. Dr. Jekyll, denn da endete es meiner Meinung nach zu früh. Die nächste angedeutete Sitzung hätte gerade als Leser wirklich interessant sein und Spaß machen können. Überhaupt hätte ich es ganz schlau gefunden, die Sitzungen vielleicht anders zu ordnen, um ein paar Längen zu unterbrechen. Allerdings macht die Anordnung so natürlich mehr sinn, da es nunmal nach Akten geht und nicht nach den eventuellen zeitlichen Überschneidungen dieser. Monster auf der Couch ist kein schlechtes Buch. Es ist nicht spannend, aber das erwarte ich bei solch einem Buch auch nicht. Es fesselt auf andere Art und ist definitiv immer wieder sehr interessant zu lesen. Nur gegen Ende wird es dann doch zwischendurch etwas lang und anstrengend. Am meisten begeistern konnte mich hier tatsächlich der Anfang, denn für mich bleibt die Akte von Dr. Jekyll tatsächlich die stärkste, während es bei dem Rest dann doch irgendwann nachlässt. Vielleicht ist es die Gewöhnung, da sich die Sitzungen im Prinzip stark ähneln, vielleicht auch einfach die Figuren. Mit dem Ende stehe ich dann aber etwas unschlüssig da, denn es ist ziemlich offen gehalten. Die Fragen bleiben. Werden eventuell sogar mehr. Ich hinterfrage, was zuletzt fallen gelassen wurde und versuche einzuordnen, ob es so oder so ist. Man bleibt schlussendlich mit seinen eigenen Gedanken und Theorien allein, denn das Buch sagt einem nicht endgültig, was es nun mit dem Verschwinden der Psychologin tatsächlich auf sich hat. Ich denke von diesem Buch muss man sich einfach selbst ein Bild machen. Ich kann weder eine Empfehlung aussprechen, noch davon abraten.