Profilbild von dajobama

dajobama

Posted on 16.3.2022

Der Fluss ist eine Wunde voller Fische – Lorena Salazar Dieser Roman lebt von einer stimmungsvollen Atmosphäre und einer treffenden poetisch knappen Sprache. Die Handlung selbst ist nämlich recht schnell runtererzählt. Eine junge Frau und ihr Sohn sind auf dem Weg zur leiblichen Mutter des Sohnes. Die junge Frau ist nämlich weiß und der Junge schwarz. Dennoch sieht sie ihn als ihren Sohn an. Die beiden bleiben namenlos. Sie reisen in einem kleinen Boot auf dem Fluss Atrato in Kolumbien und kommen ihrem Ziel immer näher. Es gibt Gespräche mit Mitreisenden und ab und an wird an einem Ort entlang des Flusses haltgemacht und übernachtet. Zudem schweift die junge Frau, die Ich-Erzählerin der Geschichte immer wieder in Erinnerungen an ihre Kindheit, oder die Kindheit des Jungen ab. Auch das ein oder andere Drama ereignet sich auf dieser Reise. Und gegen Ende muss der Junge eine Entscheidung treffen. So richtig nahe kommt man den Protagonisten allerdings sehr lange leider nicht. Es bleibt immer eine gewisse Distanz. Erst im letzten Viertel passieren einschneidende Ereignisse, die plötzlich auch diese Distanz, eine gewisse Apathie im ewigen Fließen des Flusses durchbrechen. Jetzt erst zeigt die Autorin ihr ganzes Können. Diese letzten Seiten, wenn man schon denkt, es passiert nichts mehr, fand ich ganz grandios. Kulturell reißt dieser Roman einiges an. Das ist hochinteressant, doch auch hier reicht die Kürze dieser Geschichte nicht wirklich aus, um tiefer einzusteigen. Auch geschichtlich wird insbesondere im letzten Teil deutlich, dass der Leser sicherlich gut daran täte, sich mit Kolumbiens Hintergründen näher auseinanderzusetzen. Gerade leicht macht es einem die Autorin dabei nicht, liefert sie doch nicht einmal eine zeitliche Einordnungshilfe. Dieser Roman wäre perfekt für eine intensive Leserunde geeignet. Sprachlich ist dieses Werk auf jeden Fall bemerkenswert. Die Sätze sind meist kurz, dennoch exotisch und ungewöhnlich. Die Autorin lässt den Fluss lebendig werden und beschreibt die Umgebung sehr detailliert. Insgesamt ist dies eine sinnliche Geschichte über einen Fluss im kolumbianischen Dschungel, der die Lebensader der Gegend darstellt. Über Mutterschaft und Abgründe unterschiedlicher Art. Der Roman beschreibt sprachgewaltig eine atemberaubende Landschaft und tiefgehende Ängste. Ein beeindruckendes Werk, das mich nicht immer berühren konnte. Auf jeden Fall eine lohnenswerte Reise nach Südamerika! 4 Sterne!

zurück nach oben