mabuerele
„..Franziska wendet sich zum Haus um. Sneakerschritte auf Sandsteinplatten. Irgendwo über ihr singt eine Amsel, weit entfernt rauscht die Schnellstraße, und ihr Herz schlägt zu laut, als sie sich der Terrassentür nähert...“ Franziska kehrt zurück in das Haus ihrer Kindheit. Nach dem Abitur hatte sie es verlassen. Beim Tode ihrer Mutter war sie wenige Minuten zu spät gekommen. Nun soll sie sich um ihren kranken Vater kümmern. Ihre ältere Schwester Monika ist angeblich für einige Zeit vereist. Die Autorin hat eine bewegende Familiengeschichte geschrieben. Wer eine lockerleichte Sommerlektüre erwartet, ist bei dem Buch definitiv falsch. Es geht um Schuld, Verschweigen, nie verarbeitete Wunden. Ich brauchte ein paar Seiten, bis ich im Buch angekommen war. Dann aber entwickelte die innere Spannung einen Sog, der es schwer machte, die Geschichte aus der Hand zu legen. Immer im Wechsel kommen Franziska und ihr Vater zu Wort. Der Schriftstil ist ausgereift. Die Autorin erlaubt mir einen Einblick in die Psyche ihrer Personen. Sie werden allein durch ihre Gedanken gut charakterisiert. Heinrich, der Vater, war immer zielgerichtet. Er wusste, was er wollte. Zwei Dinge haben sein Leben geprägt: die letzten Kriegsjahre mit einer einsamen Flucht und die Mutter, für die er eher Last war. Durch sein Leben zieht sich ein Bild, das Bild eines Ameisenbären. In seinen gedanken kommt er stets wieder darauf zurück. Franziska hat ein bewegtes Leben hinter sich. Es war ihr Drang nach Freiheit, der sie vom Elternhaus entfernte. Dass dies aber nicht alles war, zeigt sich im Laufe der Handlung. Die ersten gemeinsamen Tage gestalten sich schwierig. Der Vater, dem Laufen alles war, kann sich kaum noch bewegen. „...Er hat nicht damit gerechnet, sie noch einmal zu sehen. Er hat nicht für möglich gehalten, dass sie, der hier nie etwas gut genug war, noch einmal heimkommen könnte und dann so sehr anwesend sein könnte, so sehr Franziska, und doch eine Fremde…“ In beider Erinnerung ist die Ehefrau und Mutter präsent. Während des Krieges hatte sie die Eltern zu Oma Frieda nach Darmstadt geschickt. Sie sollte ihre Eltern und Geschwister nie wiedersehen. Nur selten hat Heinrich deshalb seine Frau fröhlich erlebt. „...Der Krieg ist der Krieg, der nimmt, was er will, ohne sich zu erklären….“ In Mutters Nähzimmer kommen Franziskas Erinnerungen hoch. Als sie den Umweltschutz für sich entdeckt und für den Erhalt des Waldes eintritt, beginnt der Bruch mit der Familie. Es sind die vielen kleinen Episoden, die der Geschichte ihr besonders Flair geben. Liebe und Trennung, Verlustangst und Zuneigung durchziehen das Geschehen. Und doch muss es da noch mehr geben, als das Offensichtliche. „...Ein Schachspieler ist ihr Vater gewesen. Ein Stratege. Er war überzeugt, das Leben leiße sich berechnen und ordnen und lenken….“ Als Franziskas Vater nach einem Unfall ins Krankenhaus kommt, räumt Franziska das Haus aus und um, damit der geplante Umbau endlich stattfinden kann. Damit stößt sie auf alte Geheimnisse. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeigt, wie manchmal die Vergangenheit das Leben prägt.