Profilbild von katkaesk

katkaesk

Posted on 14.3.2022

Alles beginnt und endet bei A. Jeder Gedanke, jede kleine Erzählung, jede Aufzeichnung im Notizbuch. Nur lässt sich Liebeskummer von der Seele schreiben? Mario Schlembach lässt sich in Form eines Tagesbuch auf diesen Versuch ein. Wer A. ist, erfährt man am Anfang nicht. Man ahnt: es muss die große Liebe sein. Man vermutet: Sie könnte auch gestorben sein. Es würde zum Beruf passen, den das literarische Ich ausübt: Totengräber. Er schaufelt Gräber für Hoffnungen genauso wie für Romanzen und wenn jemand im Dorf stirbt, dann natürlich auch. Ein bisschen wird am eigenen Grab geschaufelt: Das Ich trinkt viel, ernährt sich ungesund und bekommt zu allem Überdruss auch noch dieselbe Lungenkrankheit diagnostiziert wie Thomas Bernhard, natürlich nicht, ohne ironischerweise darauf hinzuweisen. Zwischen fünf Heften entwickelt sich die Tragik des Ichs: Mehrere Frauen, die getroffen und nie wieder gesehen werden, während Bild und Gedanke stets um A. kreisen. Das Ich sucht nach Sprache, dem Schreiben und der Leere in sich, die Selbstvergewisserung im Blick: Schreiben? Ich spreche nicht darüber und wenn, dann nenne ich es Kritzeln oder Herumbasteln. Es fällt mir immer noch schwer, alles, was nicht mit körperlicher Verausgabung zu tun hat, als Arbeit zu sehen. Während sich der Wunsch nach einem Schriftstellerdasein herauskristallisiert, sind es die Orte, die wesentlich sind, in denen sich das Ich bewegt: Friedhof, Behandlungsraum und Bett. Es ist eine Erzählung, ähnlich einer Männergrippe, die sich wehleidig und larmoyant zwischen gestorbenen Lieben und verstorbenen Hoffnungen dahin liest. Die akribische Darstellung des Krankheitsverlaufs komplementiert diesen Roman, ohne auf Poesie zu vergessen: Es geht mir gar nicht anders – dich zu träumen ist mein Atmen. Der dritte Roman nach Nebel und Dichtersgattin erweist sich als weiterer Beweis dafür, wie eng Schlembach mit dem Tod ist und sich damit tröstet, ihn als Freund zu haben. Auch wenn die Baggerschaufel mit mehr Selbstmitleid als Ironie gefüllt ist, so ertappt man sich dabei gelernt zu haben: Man kann mehrere Tode sterben und trotzdem ganz lebendig sein.

zurück nach oben