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mabuerele

Posted on 9.3.2022

„...Seit einer halben Meile lag wieder Schnee auf der Passstraße. Nebel kam auf, die Luft roch feucht. Die Pferde stießen ihre Hufe ins Weiß, um Halt zu finden...“ Es ist Anfang 1816, als Johann Wolfgang von Goethe auf den Weg nach Karlsbad ist. Er braucht Erholung und Zeit zum Schreiben. Bei einem abendlichen Spaziergang entlang der Tepla rettet er einem jungen Liebespaar das Leben. Er will sich für ihre Liebe stark machen. Hat er eine Chance? Der Autor hat einen abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Er verbindet das Leben von Goethe mit einer Liebesgeschichte, die an dessen Werther erinnert. Gleichzeitig ist 1816 für Goethe ein besodneres Schicksalsjahr. Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er ist stellenweise poetisch und fängt die Atmosphäre der Zeit gut ein. Sehr detailliert wird das Leben in der Kurstadt beschrieben. Hier trifft sich, was Rang und Namen hat. „...Die Gebresten egalisierten; alle. Die Heilung und Erholung suchten, waren im Bad gleichermaßen willkommen. Zwischen dem Adel des Geldes und dem Adel der Geburt wurde hier kein Unterschied gemacht...“ Das Liebespaar ist schon Gesprächsstoff in Karlsbad. Die junge Dame stammt aus adligen Haus und ist mit einem anderen verlobt. Der junge Herr ist der Sohn eines französischen Weinhändlers, der sich als Hugenotte in Erfurt niedergelassen hat und dort zu Wohlstand gekommen ist. Auch dessen Eltern sind gegen die Verbindung. Sein Vater will das Geld nicht dem armen Adel hinterher schmeißen. Die Einstellung der Freifrau dagegen liest sich so: „...Die edelste Form der Bewunderung ist die aus der Ferne. Die Sphären der Damen und Herren berühren sich in den guten Häusern ohnehin kaum...“ Doch Goethe kann seine Zeit in Karlsbad nicht genießen. Ein anonymer Brief ruft ihn zurück nach Weimar. Henri, der junge Mann, begleitet ihn. Im Gegensatz zu den Regeln seiner Zeit hat Goethe die Frau, die er liebt, geheiratet. Sie führen eine erstaunlich offene Ehe. Allerdings zahlen beide einen hohen Preis dafür. Während Goethe prominent genug ist, um spitze Bemerkungen gekonnt an sich abprallen zu lassen, muss Christiane damit leben, dass sie nie in Goethes Kreisen akzeptiert wurde. Gegenüber Henris Mutter äußert er: „...“Wir haben mit harter Münze dafür bezahlt, diesen Titel zu führen“, sagte Goethe bitter. „Wir zahlen heute noch – Madame von Goethe mehr als ich selbst.“...“ Eine weitere Reise nach Karlsbad bringt für das junge Paar die Entscheidung. Ein inhaltsreiches Nachwort trennt Fiktion und historischer Wahrheit. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeigt Goethe als Mensch mit Fehlern, Schwächen und tiefen Gefühlen, weniger als Staatsmann und Dichter.

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