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Fina

Posted on 28.2.2022

Gestaltung: Ich finde die Aufmachung des Thrillers wieder sehr gelungen. Obwohl Thriller häufig nicht unbedingt mit einer spektakulären Gestaltung hervorstechen und auswechselbare Cover haben, glänzen Christina Steins Thriller mit absolutem Wiedererkennungswert. Ich mag die Idee, ein Element auf dem Cover durch eine knallige Farbe hervorzuheben und den Rest schwarz-weiß zu lassen. Wie schon der orange Mantel bei "Searching Lucy" hat auch das rote Haar unserer Protagonistin in "Dreivierteltot" eine wichtige Rolle in der Geschichte. Zudem wird durch die fliegenden Haare und den bewölkten Himmel auch direkt auf das schottische Setting angespielt. Ich bin sehr angetan und hoffe, dass die Gestaltung bei weiteren Thrillern so beibehalten wird. Darum geht's: Bevor Kim ihr Medizinstudium aufnehmen möchte, fährt sie gemeinsam mit ihrem Freund Jon in die schottischen Highlands, um auf dem West Highland Way eine Auszeit zu nehmen. Doch bald treten einige Ungereimtheiten auf. Ihre Freundin Emma scheint ebenfalls in Schottland zu sein und möchte sich mit ihr treffen, bis plötzlich dubiose Nachrichten auftauchen und der Kontakt schließlich abbricht. Währenddessen lernt Kim auf ihrer Wanderung den geheimnisvollen Sky kennen, der immer wieder ihre Nähe sucht, was auch Jon nicht gerade prickelnd findet. Je weiter sie dem West Highland Way folgen, umso größer wird die Gefahr, bis eine Leiche gefunden wird... Idee/ Umsetzung: Mich haben im Klappentext gleich mehrere Aspekte sehr angesprochen. Zum einen mag ich Schottland als Setting unheimlich gerne und möchte schon seit Jahren unbedingt mal die Highlands besuchen. Durch das unbeständige Wetter bietet sich der West Highland Way insbesondere als Schauplatz für einen Thriller sehr an, da die düstere Stimmung durch das raue Klima bestens in Szene gesetzt werden konnte. Zudem fand ich diese Art von "Liebesdreieck", im weitesten Sinne, interessant für einen Thriller. Ich habe mich sofort gefragt, was Sky von Kim möchte und warum er immer wieder ihre Nähe sucht, obwohl sie ihm sehr deutlich signalisiert, dass sie kein Interesse hat. Da unsere Handlung bereits in Schottland beginnt und wir mehr oder weniger auf der Wanderung mit Kim und Jon ausgesetzt werden, bin ich direkt sehr gut in die Geschichte eingetaucht. Ich habe direkt gemerkt, dass ich furchtbares Fernweh bekomme, weil die schottische Landschaft so schön beschrieben wurde und ich es genossen habe, mit Kim diese echt anstrengende Wanderung etappenweise zu beschreiten. Zwischendrin übernachten die beiden immer wieder in Hostels und Herbergen, sodass sich die Wanderszenen angenehm mit anderen Schauplätzen abwechseln. Für meinen Geschmack hat es ein bisschen zu lange gedauert, bis die Thrillerelemente erkennbar hinzukamen. Wir bekommen ausführliche Charaktervorstellungen von Jon, Sky und einigen anderen jungen Erwachsenen, die Kim auf dem West Highland Way kennenlernt. Das ist natürlich sinnvoll, um später gut miträtseln zu können, wer bei dem betreffenden Mordfall verdächtig ist, aber für mich hätte das ganze etwas zügiger erzählt werden können. Nachdem Kim und Jon auf einer Etappe ihrer Wanderung eine Leiche finden, geht es dann so richtig los und die Spannung hat rapide zugenommen. Ich würde sagen, ab der Hälfte war das Buch durchweg auf einem sehr hohen Spannungsniveau und hat im letzten Viertel noch einen draufgesetzt. Diesmal hat Christina Stein viele interessante Psychothriller Aspekte in den Fokus gestellt, was mir als Psychologin natürlich super gefallen hat. Fast alle Figuren werden einmal verdächtigt und scheinen dunkle Geheimnisse zu verbergen. Sei es Sky, der aus unerfindlichen Gründen Kim immer wieder unangenehm nahe kommt, oder die beiden Jungs, mit denen sie eines Nachts Gras rauchen und über Mordgelüste und Psychopathen sprechen. Die mysteriösen Nachrichten von Kims Freundin Emma befeuern dies ebenfalls, sodass ich immer wieder gerätselt habe, wer nun für all die Schauermomente verantwortlich sein könnte. Denn neben dem Mordfall gibt es einige spannende Gruselszenen mit flüsternden Stimmen in der Nacht und Haarspangen, die sich verselbstständigen. Die Atmosphäre hat die Autorin besonders gut beschrieben und bei mir für großes Unbehagen beim Lesen gesorgt. Was ich auch noch positiv hervorheben möchte, ist die Sprache des Buches, die ich als sehr jugendgerecht und authentisch wahrgenommen habe. Nun bin ich auch nicht mehr 18, aber hatte das Gefühl, dass die Autorin Jugendsprache sehr pointiert verwendet, ohne dass es aufgesetzt oder peinlich wirkt. Oft habe ich ein Problem damit, wenn Autor*innen versuchen, Jugendliche nachzuahmen, weil es schnell künstlich und albern wirkt. Das war hier nicht der Fall. Es ist ein schönes Zeitdokument, was Jugendwörter und auch Serien und Songs unserer Zeit betrifft. Ich könnte mir vorstellen, dass sich Jugendliche deshalb besonders gut in Kim und die anderen Figuren hineinversetzen können. Ende: Das Ende der Geschichte ist für mich der Punkt, mit dem ein Thriller oder Krimi steht und fällt. Der Weg dahin kann noch so gut gewesen sein, aber wenn die Auflösung blöd ist, bin ich meistens missgestimmt. Glücklicherweise war das Ende hier nicht schlecht. Ich muss gestehen, dass ich ab der Hälfte einen tragenden Aspekt der Auflösung geahnt habe, der sich dann auch im letzten Viertel bestätigt hat. Ich finde aber, dass ich als Vielleserin und Erwachsene außerhalb der jugendlichen Zielgruppe sicherlich nicht der Maßstab sein sollte. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass 14 Jährige hier durchaus überrascht werden können. Kleinigkeiten fand ich etwas zu konstruiert, aber insgesamt kann das Buch definitiv überraschen und die beschwerliche Wanderung über den West Highland Way hat sich für uns Leser*innen absolut gelohnt. Fazit: Mit "Dreivierteltot" hat Autorin Christina Stein einen zweiten, sehr gelungenen Thriller für das jugendliche Publikum geschrieben, der mit Spannung, Gruselmomenten und psychologischer Tiefe begeistern kann. Leser*innen ab 14 Jahren, die Lust haben, gemeinsam mit Kim den West Highland Way zu bezwingen und dabei einen Mordfall zu lösen, sollten sich dieses Buch unbedingt ansehen.

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