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Buchdoktor

Posted on 21.2.2022

In Geschichten werden Drachen und Monster ausschließlich von Männern bekämpft, denen nach ihrer Rückkehr eine Frau die Wunden wäscht und das Kettenhemd ausschüttelt. Deshalb hatten Frauen vermutlich so selten Gelegenheit Drachen zu töten. Doris Dörrie befasst sich mit Frauen, die sich in die Fremde wagen und sich nicht immer bewusst sind, dass sie ihre Wunden selbst verarzten müssen. In einer Bestandsaufnahme der Welt nach dem Ausbruch der Covid-Pandemie nimmt Dörrie ihre Leser/innen mit nach San Francisco, Kyoto und Marrakesch, auf ihre letzten Reisen 2019, bevor Reisen lebensgefährlich wurde. 1955 geboren und mit 3 Schwestern aufgewachsen, gehört die Autorin zu einer Frauengeneration, die bereits couragierte Frauen zum Vorbild hatte und auf ihrem Lebensweg unterstützt wurde. Sei erfolgreich und finanziell unabhängig, war die Forderung an ihre Generation, von glücklich war zunächst nicht die Rede. Doch bereits als Studentin in San Francisco stellt sie fest, dass entschlossene Frauen nur schwer einen Partner auf Augenhöhe finden. Die Codes der 70er, sich und ihren Partnern vorzumachen, sie wolle keine feste Beziehung, um überhaupt eine Audienz zu erhalten, muss Dörries Generation erst lernen. In einer hochinteressanten Spiegelung tritt sie rückblickend ihrer japanischen Freundin Tatsu gegenüber, die sich ein Gesangsstudium in Hannover erkämpfte, um sich schon bald in eine toxische Beziehung zu ihrem Gesangslehrer zu verstricken. Außer Doris Dörries Heimatstadt ergeben sich weitere Verknüpfungen, als Tatsu in Japan Dörries Film „Mitten ins Herz“ sieht und die Frauen Jahre später einen gemeinsamen Urlaub in einem traditionellen Onsen verbringen. Eine andere Spiegelung erleben Dörrie und ihre Freundin Eva auf einer Reise nach Marokko. Eva startet damit in ein Leben als Rentnerin, überzeugt davon, man hätte ihr Karriere und berufliches Ansehen der Filmbranche geraubt. Fazit „Die Heldin reist“ habe ich als kluge Sozialstudie der 70er und 80er Jahre gelesen, die besonders eindringlich wirkt durch die Begegnung mit Tatsu. Es geht darin u. a. um Bodyshaming, das Altern, im Film transportierte Kulturklischees, Macho-Kulturen, Frauen-Freundschaften und nicht zuletzt habe ich gelernt, warum deutsche Befindlichkeiten so eindrucksvoll in Japan inszeniert werden können ...

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