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miss_pageturner

Posted on 18.2.2022

Little Women stand schon lange auf meiner Leseliste. Leider gab es bisher kaum anständige deutsche Ausgaben von dem Buch. Während Little Women im englischsprachigen Raum weit bekannt ist, haben die March Schwestern hierzulande bedauerlicherweise (noch) nicht ganz so viel Bekanntheit erlangt. Bisher war Alcotts Jugendroman hierzulande vor allem unter dem Titel “Betty und ihre Schwestern” verlegt worden. Ein furchtbarer Titel, wie ich finde, da ich zu einem keinen Grund sehe, warum Beth als Betty eingedeutscht werden musste, während andere typisch englische Namen wie Amy bestehen blieben und zum anderen suggeriert er, dass Beth die Hauptperson sei, was aber nicht stimmt, da alle Schwestern im Fokus stehen und nicht nur Beth/Betty. Umso erfreuter war ich, dass dieses Jahr einige Neuauflagen des Buches erschienen sind. Ob das nun der neuen Verfilmung mit Emma Watson oder einem gesteigerten Interesse an Klassikern liegt, sei dahingestellt, die Hauptsache ist, dass Meg, Jo, Beth und Amy endlich auch bei uns die Gewandung bekommen, die sie verdient haben. Kurz ein paar Worte zu dieser Ausgabe: Der erste Vorteil liegt ganz klar darin, hier eine Gesamtausgabe in den Händen zu halten. Little Women ist nämlich ursprünglich in zwei Teilen erschienen (Teil 1 Little Women und Teil 2 Good Wives) wurde später aber dann im englischsprachigen Raum eigentlich immer zusammen als Little Women verlegt. In der deutschen Übersetzung wird aber offenbar immer noch gerne die ursprüngliche Teilung beibehalten (so z. B. bei der ebenfalls neuen Atrium Ausgabe). Hier haben wir jedoch beide Teile vereint. Zusammen, was zusammen gehört eben. Zudem gibt es keine sinnlose Kein Eindeutschung von Namen.Natürlich gefällt mir diese Ausgabe auch deshalb so gut, weil sie einfach wunderhübsch ist. Der Umschlag ist schon hübsch, aber darunter sieht es noch viel besser aus, mit bedrucktem Einband, den zahlreichen, Illustrationen und Seiten, die optisch handgeschöpftes Papier nachempfunden und den farblich abgesetzten Briefen im Text. Das einzige, was ich an dieser Ausgabe weniger gut finde ist, dass es zwar einen Anhang mit erklärenden Ergänzungen gibt, man im Text aber nirgends Verweise zu ihnen findet, das ist leider sehr schlecht gemacht. Nun aber zum Inhalt. Little Women ist vor allem deshalb auf meiner Leseliste gelandet, weil es bez. die Schriftstellerin oft in einem Atemzug mit Lucy Maud Montgomery (Anne auf Green Gables) und Jean Webster (Lieber Daddy-Long_Legs) genannt wird. Sowohl Anne, als auch Daddy-Long-Legs habe ich bereits gelesen und geliebt und habe, wie so viele andere vor mir auch schon, insbesondere die für die jeweilige Zeit sehr fortschrittlichen Position im Hinblick auf Frauenrechte und die Selbstbestimmung der Frau geschätzt. Zwar sind auch Anne und Judy am Ende verheiratet, aber die Suche nach einem passenden Mann stand nie im Vordergrund, stattdessen versuchen beide Romanheldinnen vordergründig ihre beruflichen Ziele und Träume zu verwirklichen und sich ein unabhängiges Leben aufzubauen. Ähnliches erwartete ich daher auch von Little Women, was ich dabei jedoch nicht bedachte war: Das Buch ist gut 50 Jahre älter als Anne oder Daddy Long-Legs. Doch was bedeutet das genau? Es bedeutet vor allem, dass sich die Lebenswelten der Charaktere doch noch sichtlich unterscheiden. Das häusliche Glück für die Frau spielt hier noch eine wesentlich größere Rolle und über das ganze Buch verteilt wird immer wieder betont, dass im resoluten Führen des eigenen Haushaltes und dem Dasein für die eigene Familie das größte Glück einer Frau liegt, vermischt mit starken religiösen Mahnungen und Predigen hat das Buch schon manchmal den unangenehmen Beigeschmack einer Moralapostelpredigt. Doch das ist der oberflächliche Blick. Sicherlich, vieles, was Alcott in ihrem Roman anpreist, ist aus unserer heutigen feministischen Sicht nicht mehr akzeptabel, aber ich finde es sowieso immer schwierig ein 150 Jahre altes Werk, nach heutigen feministischen Maßstäben bewerten zu wollen. Stattdessen sollten wir uns lieber vor Augen führen, was die Autorin TROTZ ihres Zeitalters bereits geleistet und “vorgedacht hat”, denn wenn man genau hinschaut lässt sich da so einiges finden. Den meisten Leser*Innen würde da bestimmt als erstes Jo einfallen und das auch zurecht. In ihr zeigt Louisa May Alcott wie bei keinem anderen Charakter, was sie sich für die Zukunft von Frauen wünscht: Unabhängigkeit, die Freiheit auch mal wild zu sein und zu toben, die Auflockerung von Anstandsregeln und vor allem die Möglichkeit zur beruflichen Selbstbestimmung. Eine Protagonistin wie Jo, die so “jungenhaft” ist, so unkonventionell und sich gegen bestehende gesellschaftliche Normen auflehnt UND TROTZDEM ein positiv behafteter Charakter bleibt, hat es zuvor noch nie gegeben, hier zeigte Alcott klar feministische Pionierleistung und schaffte ein Vorbild für viele junge Mädchen ihrer Zeit und noch weit drüber hinaus. Darüber hinaus lassen sich zwischen den Zeilen viele weitere moderne Denkansätze finden, so zum Beispiel der positive Einfluss von Frauen. In einer Zeit, in der der Mann das Oberhaupt der Familie und der Herr des Hauses war, war es noch schwer vorstellbar, dass seine Frau ihn positiv beeinflussen könnte. Das Bild der Femme Fatale, die Männer verführt und zum Schlechten verleitet, ja das kannte man, doch ein positiver Einfluss, nein das lief doch genau umgedreht, dachte man. Doch an Laurie zeigt Alcott subtil aber deutlich, dass es eben doch in beide Richtungen funktioniert und dass ein Mann auch, oder besser gesagt vor allem, durch den Einfluss von Frauen erst einen guten Charakter ausbildet. Das hebt die Rolle von Frauen in der Familie, von Arbeitskraft und “Seelsorgerin” auf Erziehungsfigur und das ist ebenfalls ein neuer Meilenstein, galt die Erziehung, gerade von Söhnen doch als Sache des Vaters. Doch auch abseits großer feministischer Gedanken und Ideen lohnt sich das Buch auf jeden Fall. Zum einen überzeugte mich auch der sozialkritische Charakter des Buches, den Einfluss von Dickens, den Alcott mal als ein literarisches Vorbild nannte, lässt sich deutlich spüren und während Dickens sich doch damit begnügte den Sozialrealismus aus männlicher Perspektive zu schildern wie z.B. in Oliver Twist, führt Alcott das ganze mit weiblicher Perspektive fort (ja, ja da bin ich ja schon wieder beim Feminisms, sorry, not sorry) Und auch wer einfach nur Unterhaltung und etwas für’s Herz sucht, kann beherzt zu Little Women greifen, denn neben alldem, was ich gerade genannt habe, ist Little Women vor allem eine Geschichte über Schwesternliebe, Freundschaft, familiärer Zusammenhalt und dem Chaos des Erwachsenwerdens und gerade bei letzterem mögen sich die Details im Laufe der Zeit geändert haben, die großen Kernfragen jedoch wie z.B. Wer bin ich? Was will ich mit meinem Leben anfangen? Etc. sind noch genauso aktuell wie vor 150 Jahren und können damit auch heute noch junge Menschen ansprechen, was Little Women einfach zeitlos macht.

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