Buchdoktor
Rieke, Wanda, Marianne und ihre Kolleg/innen arbeiten in Berlin ehrenamtlich bei Sorgentelefon e. V., einer Organisation, die der Telefonseelsorge angenähert ist. Wanda und Matthias haben in der DDR die Erfahrung gemacht, dass ein Sorgentelefon immer gebraucht wird, auch wenn jeder weiß, dass die Stasi mithört, sowie die Leitung offen ist. Wanda, 1979 in der „Zwischengeneration“ geboren, fühlt sich noch immer als DDR-Pflanze. Matthias hatte jedoch nicht erwartet, dass im wiedervereinten Berlin viele Anrufer beim Sorgentelefon alt, einsam und ostdeutsch sein würden. Die Nachtschichten leistet das Team nicht etwa per Rufumleitung von zuhause aus, sondern aus einer überdimensioniert wirkenden Dienststelle samt Vorzimmerdame. Männer und Frauen, Ost- und Westdeutsche, Eltern und Singles, Bankerin, Studentin und Bauarbeiter - wie auch die Anrufer bildet das Team einen Querschnitt gesamtdeutschen Alltags ab. Sie sind für ihre vertrauliche Aufgabe geschult. Dass Anrufer dennoch ihr Gegenüber zu jung, alt oder sonst wie unpassend finden, lässt sich schwer verhindern. Einzig Rieke ist eine Ausnahme, als Pfarrerstochter und Theologiestudentin könnte sie ihre Sorgentelefon-Erfahrungen später beruflich einsetzen. Jede/r sucht mit der freiwilligen Tätigkeit Zugehörigkeit und hat ein sehr persönliches Motiv, der eigenen Einsamkeit oder Schlaflosigkeit zu entfliehen. „3/4 der Bewerber hier brauchen selbst Hilfe“, meint der Ausbilder. Hochinteressant scheint Icherzählerin „von Schrey“ zu sein, aufgrund ihres Alters und einer Vorgeschichte, die Marianne zwar recherchiert hat, jedoch nicht so recht ansprechen will. Nicht alle Telefon-Dienste sind aus dem Team zu besetzen, so dass “von Schrey“ im Notfall Doppelschichten schiebt. Unangepasst und komplex, hat sich ein Team gefunden, das sich etwas zu wenig mit der eigenen Hilflosigkeit als Helfer auseinandersetzt und dessen Mitglieder draußen schwer klarzukommen scheinen. Nicht nur Anrufer wirken an diesem Ort wie einsame Seelen, denen oft selbst nicht klar ist, was sie suchen. Judith Kuckart lässt in der Dienststelle und privat beim Osterfrühstück Menschen aufeinandertreffen, die durch erzwungene Selbsterfahrung in ihrer Fortbildung viel miteinander zu klären hätten. Figuren, Plot und Dialoge empfinde ich als originell. Schade, dass die Wege der Figuren sich wie nach einem Cafébesuch für meinen Geschmack zu schnell wieder voneinander trennen.