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Matzbach

Posted on 14.2.2022

"Ihr Schrei in der Nacht" von Anna Schneider ist der zweite Teil der Reihe "Grenzfall". Grenzfall beinhaltet eine gewisse Doppeldeutigkeit, denn zum einen ist damit das deutsch-österreichische Grenzgebiet im Raum Garmisch-Partenkirchen/Insbruck gemeint, zum anderen lässt sich der Begriff auch so interpretieren, dass damit die Grenzbereiche der menschlichen Gewaltbereitschaft und Perversität ausgelotet werden. Es ist nicht zwingend erforderlich den ersten Fall zu kennen (so bei mir der Fall), da die wichtigen Aspekte aus dem Vorgängerroman, die eher im Privatleben der beiden Protagonisten liegen, ausführlich erklärt werden. Dennoch wird die Neugier auf den ersten Fall geweckt (dessen Lektüre ich demnächst nachholen werde). In der Jachenau verschwindet während eines Winterunwetters eine junge Frau auf dem Weg um ihre Eltern zu besuchen. Alexa Jahn, die sich nach den Offenbarungen ihrer Mutter im letzten Fall in einem seelischen Tief befindet, ist dankbar über die Ablenkung und ermittelt vor Ort. An Verdächtigen mangelt es nicht, da ist zum einen der unsympathische Vater der Verschwundenen, dem man alles zutraut, zum anderen ein vorbestrafter Nachbar, der bereits übergriffig gegen Frauen gewesen ist. Während die Ermittlungen auf Hochtouren laufen, verschwindet zudem ein junges Pärchen, das sich kurz zuvor getrennnt hatte. Auch hier drängt sich ein Verdacht auf: hat der junge Mann die Trennung nicht überwunden und seine Ex umgebracht, sich selbst möglicherweise ebenfalls? Es gibt also viel Arbeit für die Kripo Weilheim, Alexas neue Dienststelle. Nahezu zeitgleich verschwinden aus einem Studentenwohnheim in Innsbruck zwei Studentinnen. Bernhard Kammer, der Alexa Jahn nähersteht als er zunächst ahnt, ermittelt mit seiner Kollegin im studentischen Umfeld, doch ein rechter Durchbruch kann nicht erzielt werden, waren die beiden verschwundenen doch recht beliebt. Die Tatsache, dass es sich bei einer der beiden um eine muslimische Migrantin handelt, lässt einen ausländerfeindlichen Hintergrund möglich erscheinen, doch auch diese Spur endet im Nichts. Erst eine auffällig abgestellte Limousine, die sich als das Auto der Entführer erweist, bringt einen gewissen Durchbruch, denn es ist in Deutschland genau in dem Landkreis zugelassen worden, indem sich die oben genannten Vermisstenfälle zugetragen haben. Damit kommt es erneut zu einer Zusammenarbeit zwischen Jahn und Krammer, wobei sich letzterem ein fürchterlicher Verdacht, der mit einem Fall aus seiner Wiener Vergangenheit zusammenhängt, aufdrängt. Am Ende bedarf es einer wagemutigen, ja sogar halsbrecherischen Aktion, um die überlebenden Entführten (zwei haben dieses Glück nicht) zu befreien. Die Täter, eine äußerst fiese Bagage sich zurückgesetzt fühlender Männer, können größtenteils gestellt werden, nicht aber der Drahtzieher, was auf eine Fortsetzung warten und hoffen lässt. Neben der Spannung, die auf den Fällen beruht, lebt der Roman von der Beziehung zwischen den beiden Protagonisten, die nach der Offenbarung eines Geheimnisses zunächst nicht wissen, wie sie miteinander umgehen sollen, sich am Ende aber deutlich annähern, was man beiden gönnt. Schauen wir mal, was der bereits angekündigte dritte Band der Reihe diesbezüglich mitbringt. Persönlich hoffe ich nur, dass es Frau Schneider mit der Auseinandersetzung zwischen Krammer und seinem Intimfeind nicht übertreibt und diese über zahlreiche Bände hinweg ausdehnt, manchmal ist da zu viel einfach nur noch nervig, à la Voosen/Danielsson, deren Lektüre ich eingestellt habe.

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