Lesen macht glücklich
Eine mutige Stimme, die nichts ausrichten wird In „Die Gegenstimme“ wird eine historische Situation im kleinen Raum verhandelt. Es geht in diesem Buch um den Anschluss Österreichs an Deutschland im Jahr 1938 und die nachträgliche Legimitation durch eine Volksabstimmung, die selbstredend 100% Zustimmung zu diesem Gewaltakt einbringen sollte. Die Wahl im großen interessiert hier gar nicht so sehr, sondern vielmehr, was sie im Kleinen anrichten kann. Das alles verdichtet Thomas Arzt in diesem Debütroman zu einem kleinen Drama, was durch seine Art zu schreiben und wie er es präsentiert, fast wie ein kleines Bühnenstück wirkt. Ein wahres Glanzstück, das durch einen eigentümlichen, ungewöhnlichen Sprachstil anfangs irritiert, aber auch wiederum begeistert und auch aufzeigt, wie vielfältig Widerstand gegen eine schon verlorene Sache sein kann und was dieser Widerstand in manchen Köpfen derer anrichtet, die eigentlich schon überzeugt wirkten. Alle sagen einfach Ja! Karl kommt aus der Stadt Innsbruck in sein Heimatdorf zurück, zu seiner Familie, seinen Eltern und Geschwistern. Eigentlich will Karl gar nicht zurück, aber die Wahl, die Angliederung Österreichs an Nazideutschland nachträglich legitimieren soll, zwingt ihn regelrecht zurück. Während ihn in seinem Dorf alle als den weggezogenen Bengel betrachten, auch seine eigene Familie, keimt in ihm schon länger der Gedanke an Widerstand. Das diese Wahl im eigentlichen Sinn eine Farce ist und nur dazu da ist, das Volk per Schein abstimmen zu lassen, ist eigentlich jedem bewusst. Doch der Mythos des Heimkommens ins Deutsche Reich sitzt schon tief in den Köpfen der meisten Österreicher und sie geben ganz selbstverständlich ihre eigene Landesidentität auf und daher traut sich auch keiner seine Stimme vor oder in den Wahlurnen zu erheben. Außer eben Karl, der Junge vom Schuster, der ebenfalls schon seine besten Zeiten hinter sich hat. Und diese Tat des Aufbegehrens hat Folgen für das ganze Dorf. Während andernorts 100% Zustimmung vermeldet werden, wirft diese Gegenstimme ein schlechtes Licht auf den Ort mitten in den Bergen. Also muss der Schuldige zur Rechenschaft gezogen werden. Während Karl in dem am Dorf angrenzenden Wald Unterschlupf sucht, macht sich ein Mob aus Gleichgesinnten Nazitreuen auf den Weg, um den jungen Mann im Wald aufzutreiben und ins Dorf zurückzuschleppen, damit er für diese Gegenstimme seine gerechte Strafe erhält. Doch die Stimmung ist so aufgeheizt, dass gar nicht sicher ist, ob Karl das Dorf überhaupt lebend erreichen würde. Mit Dialekt ein bühnenreifes Stück geliefert Was Thomas Arzt mit „Die Gegenstimme“ abgeliefert hat, irritiert zunächst. Das Buch spielt an einem einzigen Tag, an dem die Wahl abgehalten wird, und hat als Handlungsort bis auf ein, zwei kurze Einschübe, die in Innsbruck spielen, nur ein Dorf mitten in den österreichischen Alpen auserkoren. Dass die Menschen dort Dialekt sprechen sollte einem bewusst sein. Doch der Autor geht mit dem Buch noch einen Schritt weiter und hat auch die beschreibenden Teile zwischen den Dialogen komplett in Dialekt verfasst oder sagen wir zumindest in leichter verständlicher Mundart. Gerade diese Sprache macht es einem zu Beginn nicht leicht in diese Geschichte zu finden. Doch gewöhnt man sich an diesen Dialekt mit seinen ungewöhnlichen Wörtern und Abkürzungen, bekommt man ein wirklich spannendes, an ein Theaterstück erinnerndes Buch. Der Tag der Wahl ist dabei aus der Sicht von unterschiedlichen Figuren abgebildet und erschafft dadurch ein buntes Kaleidoskop an Meinungen zu diesem Akt des Aufbegehrens und natürlich zu diesem Anschluss, den trotz Zustimmung auf dem Zettel nicht alle so gut finden. Doch die Stimmungslage ist 1938 schon so weit, dass man seine eigene Meinung nicht mehr allzu öffentlich teilen sollte, weil man sich sonst ganz schnell körperlicher Gefahr ausgesetzt sieht. Gerade das macht die Tat von Karl noch unglaublicher und man fragt sich die ganze Zeit, ob er nun töricht oder mutig gehandelt hat. Das Buch zeigt aber auch, dass so ein einzelnes Dagegen viel bewirken kann, wenigstens ein paar Menschen zum Nachdenken anregt und sie vielleicht umkehren lässt in ihrem Denken, so dass sie nicht blind in etwas hinein rennen und damit den zukünftigen Widerstand gegen den großen Feind bilden. Abseits der Anfangsschwierigkeiten, in dieses Buch sprachlich hineinzufinden, fand ich sehr stark, wie Thomas Arzt eine bekannte Situation aus der Geschichte herauslöst und diese im Kleinen beschreibt beziehungsweise aufzeigt, was das mit den Menschen gemacht hat und sie völlig entmenschlicht hat agieren lassen. Und auch ein Kommentar auf die heutige Zeit lässt sich daraus lesen, in der einige krakelen, wir würden in einer Diktatur leben und damit die Meinung der vielen Menschen unterdrücken, die sich meist nicht trauen, ihre Meinung kundzutun. Schaut euch bitte die Geschichte an, was eine Diktatur ausmacht und vergleicht es mit den heutigen Zuständen. Da sind wir noch meilenweit davon entfernt, eine Diktatur zu sein. Und wie geht es nun für Karl und seine Familie aus? Das müsst ihr natürlich selbst herausfinden. Eines kann ich jedenfalls sagen: Es artet zum Schluss des Buches in eine wirklich thrillerartige Hatz aus und diese ist so spannungsgeladen umgesetzt, dass man das Buch kaum noch aus der Hand legen mag, und eine Verfilmung würde diesem Stoff wirklich gut zu Gesicht stehen.