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Furbaby_Mom

Posted on 12.2.2022

Ich komme direkt zur Sache: Dieses Buch ist ein absoluter Volltreffer! Der kluge, bildgewaltige, pointierte Schreibstil der britischen Bestsellerautorin Wendy Holden, deren ebenfalls bei Ullstein erschienenes Werk "Teatime mit Lilibet" bereits auf meiner Wunschliste steht, hat mich komplett überwältigt! Ich bin versunken in den wahnsinnig stimmungsvollen, von stilistischer Schönheit geprägten Beschreibungen! Es war solch ein Genuss, dass ich während der Lektüre mehrfach innehalten musste, um die in meinem Kopf entstehenden Bilder des jeweiligen Settings in Ruhe auszukosten - sei es St. James’s Palace oder Balmoral, der Great Windsor Park oder das wie ein verzaubertes Märchenschloss anmutende Fort Belvedere, Davids von wunderschöner Natur umgebener Landsitz, wo als einzige Regel gilt, dass es keine Regeln gibt. In der Theorie mag es unheimlich romantisch klingen: Ein Prinz, der eine Frau so sehr liebt, dass er bereit ist, sein Königreich, seine Privilegien und sogar seine Familie für sie aufzugeben. Nicht nur Fans der Royals dürften jedoch inzwischen wissen, dass die Realität weniger rosig, sondern weitaus dramatischer ausgesehen hatte und dass trotz des vermeintlichen Happy Ends des Paares, das bis zu Davids Tod verheiratet blieb, eine gewisse Tragik nicht von der Hand zu weisen ist. Fasziniert tauchte ich in die Geschichte der skandalumwitterten Wallis Simpson und David, auch bekannt als Edward VIII, Prinz von Wales, ein und erlebte, wie sie sich kennen- und lieben lernten. Über Umwege war es der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsenen U.S-Amerikanerin Bessiewallis gelungen, in den Inner Circle der britischen High Society vorzudringen; dank Kalkül, Mut zur Entschlossenheit und der richtigen Kontakte rückte der "Schlüssel zu einer neuen, vergoldeten Welt" eines Tages endlich in Reichweite – und die modebewusste Mittdreißigerin, die sich nach Luxus und Glamour sehnte, ergriff diese einzigartige Chance mit beiden Händen, wurde Teil der High Society, erhielt plötzlich Einladungen zu exquisiten Partys. Dennoch sollte sie die Rolle der Außenseiterin nie ganz ablegen können und der Familie Davids auf ewig ein Dorn im Auge bleiben. Ich konnte mich wunderbar in ihre Figur hineinversetzen; ihre Gedankengänge wurden von der Autorin so eindringlich und emotional geschildert, dass ich beinahe das Gefühl bekam, Wallis persönlich zu kennen. Ihr Verhalten wirkte stets schlüssig und ihrem Charakter entsprechend. Nicht all ihre Taten hieß ich gut, dennoch wuchs sie mir im Laufe der Handlung zunehmend ans Herz und ich fieberte mit ihr mit. Die Figuren haben definitiv Ecken und Kanten, selbst der zweite Ehemann von ihr, Ernest, ist eine interessante Person – ich mochte seine solide, bodenständige Art sehr, insbesondere im Vergleich zu gewissen VIPs wie den Magnificent Morgans, Thelma und Gloria, oder dem tratschsüchtigen Cecil Beaton. Über den kurzen Gastauftritt der scharfsinnigen Coco Chanel hingegen habe ich mich enorm gefreut. Die Story wird aus der Perspektive von Wallis (in der 3. Person) erzählt und spielt auf zwei Zeitebenen: in den Jahren 1928-37 sowie während des im Jahre 1972 stattfindenden Begräbnisses des Herzogs von Windsor. Besonders Wallis' Stärke beim Begräbnis ihres Seelenverwandten hat mich schwer beeindruckt. Edward VIII, von allen nur David genannt, erleben wir rein aus Wallis' Sicht; er war mir zu Beginn der Bekanntschaft am sympathischsten, hatte anschließend beinahe theatralisch komische und leicht verrückte Züge; manchmal wirkte er wie ein trotziges Kind auf mich. In einem Punkt blieb er allerdings standhaft: Nichts konnte ihn von seiner Liebe zu Wallis abbringen. "Sie hatte nicht wie erwartet die Wahrheit über ihn herausgefunden, sondern erkannt, dass es viele Wahrheiten gab. Seine Persönlichkeit hatte so viele unterschiedliche Facetten, wie Fort Belvedere Schlafzimmer besaß. Das nationale Idol und der Verkäufer des Empire, der Spaßvogel, der energiegeladene Gärtner, der Innenarchitekt und der leidenschaftliche Musiker. Und da war noch mehr, das Gefühl, dass hinter dem Charme, dem Charisma und der Effekthascherei etwas verborgen lag […], das nur die wenigsten erahnten." Ich muss zugeben, ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass der Großteil des Romans davon handeln würde, wie Edward abdankt und anschließend den Rest seines Lebens mit Wallis verbringt. Stattdessen liegt der Fokus hauptsächlich auf der Zeit davor, so begegnen wir Wallis, als sie gerade ihre zweite Ehe eingegangen ist. Im Nachhinein bin ich wirklich froh darüber, denn tatsächlich ist dies ja der wahrlich spannende Part – wie es einer zweifach geschiedenen U.S.-Amerikanerin gelang, das Herz des Prinzen zu erobern. Ich kam nicht umhin, gewisse Parallelen festzustellen, die sich in der neueren Zeit im Leben der britischen Königsfamilie abgespielt haben. Manch einer könnte behaupten, Wallis und Edward hätten den Weg geebnet für eine Abkehr von der eisernen monarchischen Strenge, für eine Lockerung des in seinen Traditionen teilweise festgefahrenen höfischen Protokolls, eine Annäherung zum Volk, und vor allem für royale Eheschließungen, die nicht aufgrund von Pflichtgefühl oder Erwartungshaltungen, sondern rein aus Liebe geschlossen werden. Ein Gedanke am Rande: Für zukünftige Ausgaben fände ich die Ergänzung eines Stammbaumes im Anhang sinnvoll, sodass man immer einen Überblick über das Who is Who der britischen Adelsfamilie zur Hand hat. Fazit: Binnen kürzester Zeit war dieser immerhin fast 500 Seiten umfassende Schmöker ausgelesen. Begeisterung pur meinerseits und eine klare Leseempfehlung für alle Royals-Interessierten!

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