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marieause

Posted on 11.2.2022

Michael Hartung, im Buch meist nur Hartung genannt, ist nicht gerade auf der Überholspur des Lebens. Als Videothekbesitzer sind die Jahre mit guten Geschäften längst vorbei und auch sonst fällt mir zu ihm das Wort lethargisch ein. Bis eines Tages im Herbst 2019 eine Journalist eine Geschichte auskramt: Hartung hat einst einen Bahnzug in den Westen umgeleitet und zu einer Massenflucht verholfen. Zumindest steht es so in den alten Akten. Darüber schreibt der Journalist, geringfügig (ähem...) ausgeschmückt und diese Story bekommt dann eine unerwartete Eigendynamik. Maxim Leo beschreibt das sehr witzig, das Buch liest sich dadurch weg wie nichts. Gleichzeitig hat die Handlung aber einen Tiefgang, den ich so nicht erwartet habe. Gedanken über Geschichtsschreibung, herabwürdigender Umgang mit Bürgerrechtlern und wie man zum Spielball verschiedenster Interessen werden kann. Ein Ausschnitt aus einem Stück Zeitgeschichte humorvoll aufbereitet - aber mit durchaus nachdenklichen Momenten. Stil und Inhalt hat mir gut gefallen, ich fand es lediglich etwas zu lang. Das Buch hat 304 Seiten, ist jetzt also kein dicker Wälzer, aber eine leichte Straffung hätte ihm aus meiner Sicht noch gut getan. Ansonsten großes Lesevergnügen.

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