Lesen macht glücklich
Aus Blut und Exkrementen geboren 2020 hatte ich mit großer Begeisterung den Roman „Der Heilige mit der roten Schnur“ aus dem Homunculus Verlag gelesen. An diesem Buch stimmte einfach die gesamte Komposition aus äußerem und innerem Erscheinungsbild. Auch die Geschichte um ein geheimnisvolles Skelett namens Bartholomäus Knochenfaust, das die Geschichte um den Heiligen Taush einem Reisenden erzählt, wusste durch seine geheimnisvolle Aura, durch seine Andeutungen zu begeistern. Nun ist im Homunculus Verlag der Nachfolgeroman „Der Heilige zwischen den Welten“ erschienen. Um einiges opulenter kommt das Buch daher, ist sogar im Romanbereich eines der dicksten Bücher, die der Verlag je veröffentlicht hat, doch kann es auch an den mysteriösen Vorgänger anschließen und baut die Mythologie um den Heiligen und der Welt und dem Gegenstück, der UN’WELT weiter aus? Das werde ich versuchen in der nun kommenden Besprechung durchzusprechen. Eines aber als Vorwarnung schicke ich euch gleich mit, ihr solltet währenddessen nichts zu essen in der Nähe haben, denn es geht ebenso wie im Buch auch in dieser Besprechung um den Einsatz diverser Körperflüssigkeiten und –ausscheidungen, die in irgendeiner Form eine Bedeutung für den Fortlauf der Handlung haben werden. Ein Krieg zwischen den Welten bahnt sich an Eine Inhaltsangabe zu diesem Buch zu machen, ist fast unmöglich, denn der Roman beginnt mit einem umfangreichen Figurenensemble, die zwar Ahnungen aus dem Vorgängerroman in Schemen andeuten und doch nur Schatten dieser Figuren sind beziehungsweise werden. So lernen wir erst einmal nacheinander in verschiedenen Kapiteln viele andere Figuren kennen, zum Beispiel Ulrik, der seit Kindesbeinen an in der UN’WELT lebt und seine Leidenschaft dem Holz gilt, oder Katherina, der es vorherbestimmt ist, als große Kriegerin in die Schlacht gegen die Welt einzugreifen, oder Bartholomäus, den wir als Knochenfaust kennenlernten, der aber nun tot in der Erde begraben liegt und von seiner großen Liebe Palma betrauert wird und deren Trauer so groß wird, dass sie sich selbst tötet und aus ihr BartholomäusPalma aufersteht. Und noch einige mehr. Da ist von dem titelgebenden Heiligen Taush noch nicht viel gelesen und die Hälfte des Buches liegt schon hinter einem. Doch auch der Heilige Taush wird nicht mehr derselbe sein wie im schmalen ersten Band, denn er wird aus sich selbst wiedergeboren, um den Menschen in der Welt im Kampf gegen die UN’WELT mit einer unsichtbaren Schattenarmee zu helfen. Der Taush, der früher noch mit Tieren sprechen konnte und selbstsicher die Menschen an der Schwelle zum Tod ihre Seele in die neue Welt geleitete, existiert nur noch in Andeutungen. Er ist unsicher, hat Selbstzweifel und Angst, die sich in einer Art kleinen Taush manifestieren. Kann dieser Taush beim Kampf der Menschen gegen die UN’WELT überhaupt eine Hilfe sein? Mystisch, brutal und sehr verwirrend Was Flavius Ardealean da zu Papier gebracht hat ist einfach nur der pure Wahnsinn in der wahrsten Wortwahl. Anders kann man es nicht beschreiben. War der Vorgängerroman schon eine Art wahnsinnige Trip in die Hölle und zurück, wurden da schon Bilder heraufbeschworen, die einen wahnsinnig werden ließen, so ist das hier in diesem Buch noch tausendmal verrückter und ekliger und grausamer. Für das erste Buch hat der Verlag aus der Besprechung zum ersten Buch von mir das Zitat „Was für ein Wahnsinn, was für eine Geschichte, was für Bilder“ verwendet und das muss man hier mit einem Faktor 1:100 übertragen. Dagegen ist der erste Band, um es salopp zu sagen, ein Kindergeburtstag, denn der Einsatz jedweder Körperflüssigkeit, allen voran Blut, Exkremente und andere Ausscheidungen, werden hier in großem Maßstab auf die Leserschaft losgelassen. Manchmal hat es einen Zweck, oft bleibt dieser aber verborgen oder er lässt sich nur erahnen. Da wird geschlachtet, um neues Leben auferstehen zu lassen, da wird geschlitzt, gehackt, gefressen und onaniert, was das Zeug hält und an vielen Stellen fragt man sich wirklich, warum so viel davon. Es wirkt alles sehr brutal, abstoßend und ekelerregend. Wer mit Splatter (egal ob im Film oder in Büchern) nichts anfangen kann, sollte hier wirklich die Finger davon lassen. Aber selbst die, die sich in diesem Metier vielleicht auskennen und da etwas „abgebrühter“ sind, werden mit diesem Buch garantiert an ihre Grenzen gebracht, denn in dieser Häufung und gnadenloser Brutalität, wie das beim Lesen auf einen einprasselt, ist das oft schwer auszuhalten. Und trotz all der blutigen und exkrementalen Eskapaden geht von der ganzen Geschichte eine wahnsinnige Faszination aus. Es ist Fantasy von seiner brutalsten Seite, erinnert an solche Filme wie Hellraiser und auch Werke von Clive Barker oder H.P. Lovecraft, die ähnlich abstoßend faszinierend sind, wie es auch Flavius geschrieben hat. Überwindet man die erste Hälfte, die wirklich eine ekelhafte Szene an die nächste reiht, wird der Schleier, den dieses Bad an Ausscheidungen hinterlässt, allmählich gelüftet und es ergibt sich ein ungefähres Bild, wohin uns der Autor führen will und klärt uns doch nicht insgesamt auf. Und das ist das faszinierendste an diesem Buch, das man bei allem Abstoßenden und Ekelhaftem, was man da liest, wissen will, wie es denn nun weitergeht. Da dieses Buch eine Art Mittelteil zu einer Trilogie darstellt, stellen wir einfach die Bitte an den Homunculus Verlag, den dritten Band ebenfalls herauszubringen, allein schon, um diese ganze wahnsinnige Geschichte um Taush, Bartholomäus, die Schattenfrau, Ulrik und all den anderen gebührend abschließen zu können, denn aktuell hängen all diese Charaktere etwas in der Luft und wir als Leser*Innen sind da etwas unwissend, was mit ihnen nun geschehen wird. Nachdem wir zusammen so viel Leid und Schmerz zusammen erfahren und durchlitten haben, will man auch wissen, ob es für diese Figuren eine Erlösung gibt oder ob sie in diesem ewig währenden Lovecraftschen Zyklus aus Schmerz und Verderben gefangen bleiben.