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gwyn

Posted on 9.2.2022

«Es brummt und donnert, als schnarchte das Meer. Dies Geräusch ist das Stärkste ... der Wellen, die sich an den Küsten brechen, des Windes, der über die Wasseroberfläche fegt, aber auch der Erde und ihrer Launen. In diesem Schnarchen liegen das Bersten der Eisberge an den Polen, das Knirschen der Erdbeben am Rande der ozeanischen Rücken und das Atmen ferner Stürme.» Stumm wie ein Fisch? Stimmt das? Wenn der Fisch an Land auf Eis liegt, ausgenommen – dann ist er stumm. In diesen Essays erfahren wir unter anderem etwas über die Sprache der Fische, wie jeder auf seine Weise laut oder leise kommuniziert – unter Wasser gibt es nämlich eine große Geräuschkulisse. Jedes Essay in diesem Buch unterliegt einem Thema. Bill Francois berichtet liebevoll über Meeresbewohner, über Sachverhalte, die den meisten Menschen unbekannt sind. Eingestreut sind Erlebnisse, Mythen und Sagen, Witziges, Unterhaltsames. Aale und Lachse, die Tausende Kilometer zurücklegen, der Tanz der Sardinen, verschiedene Art der Aufzucht, aber nicht nur die Fische kommen zu Wort. Muscheln, Tintenfische, Garnelen: Unglaubliche Geschichten aus der Welt der Flüsse und der Meere. «Zum Beispiel können Sardellen die vom Weibchen gelegten Eier nicht vom Plankton unterscheiden, von dem sie sich ernähren, weshalb sie achtundzwanzig Prozent ihres eigenen Nachwuchses fressen.» Der Merlin kann Makrelenschwärme mit ultravioletter Farbe blenden – sie in Schockstarre versetzen, «Umberfische krächzen, Barsche brummen und Knurrhähne knurren»; wir erfahren etwas über geschwätzige Fische und Zähneknirscher, singende Seepferdchen, tauchen ein in die Wiegenlieder der Wale. Meeresbewohner, die ihren Laich auffressen oder den geschlüpften Nachwuchs, Mütter, die in Grotten über dem Nachwuchs wachen und dabei verhungern, kurz bevor er schlüpft, Weibchen, die die Männchen nach der Begattung auffressen, wechselnde Geschlechter, Farben und Düfte unter Wasser. Es gibt viel Wissenswertes aus der Fischwelt zu berichten. Aber auch Geschichten; mit Streetfishern steigt der Autor in den Bauch von Paris hinab, zu Aalen, Flussbarschen, Döbeln, Flusswelsen und Kaulbarschen. Die Gefährdung der Meere und der Arten, Überfischung und Verschmutzung sind auch ein Thema. Kulturgeschichte, z. B. wie das Magenta-Färben mit Seeschnecken in Vergessenheit geriet, man dann nach der bestimmten Schnecke lange suchte, obwohl das Rezept bereits in der Bibel niedergeschrieben war. Bloß dort hat keiner gesucht. Und warum darf in der Fastenzeit Fisch und Geflügel gegessen werden? Mal sachlich, mal im Plauderton bis hin zum Poetischen fliegt man wie gebannt durch die Seiten. Eine Hommage auf die Bewohner der Gewässer dieser Erde; ein wundervolles Buch, das uns Fische und andere Meeresbewohner näherbringt. Die Metapher stumm wie ein Fisch wird man nach dieser Lektüre garantiert nicht mehr benutzen. Bill Francois hat seinen Text mit ein paar feinen eigenen Grafiken ausgeschmückt.

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