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milkysilvermoon

Posted on 6.2.2022

Altadena in Kalifornien: Professor Zach Wells ist Geologe/Paläobiologe - und verzweifelt. Seine zwölfjährige Tochter Sarah leidet an dem Batten-Syndrom, einer neurodegenerativen Erkrankung. Die Diagnose ist für die Familie niederschmetternd. Zach reagiert auf unerwartete Weise… „Erschütterung“ ist ein Roman von Percival Everett. Meine Meinung: Der Roman besteht aus mehreren längeren Kapiteln, die wiederum in nummerierte Abschnitte unterteilt sind. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Zach. Der Schreibstil ist definitiv ungewöhnlich, ein wenig gewöhnungsbedürftig und in Teilen experimentell. Längere Dialoge mit knappen Antworten wechseln sich ab mit beschreibenden Passagen, in denen sich der Erzähler zum Teil direkt an die Leserschaft richtet, was den Eindruck einen unmittelbaren Erzählung erzeugt. Das Sprachniveau ist eher gehoben. Auch der selbstironische Ton gefällt mir gut. Zwischendurch gibt es jedoch immer wieder strukturelle Unterbrechungen. Dabei handelt es sich um Einschübe wie Begriffsdefinitionen aus dem wissenschaftlichen Kontext, Positionen von Schachfiguren sowie Satzfragmente oder kurze Sätze. Der Sinn dieser Einwürfe erschließt sich mir in Gänze leider nicht. Ich habe sie als irritierende Spielerei ohne Mehrwert empfunden. Im Fokus der Geschichte steht Zach. Ein durchaus authentischer Charakter, der über psychologische Tiefe verfügt, aber zugleich ein auf mich nicht sympathisch wirkender Protagonist ist. Auch die übrigen Figuren blieben mir weitestgehend fremd. Thematisch ist die Geschichte sehr breit aufgestellt. Sehr interessant ist es, mehr über das mir bis dato unbekannte Syndrom der Tochter zu erfahren. An anderen Stellen konnte ich ebenfalls Wissenswertes aus der Lektüre ziehen. Obgleich es um überaus bewegende Probleme wie Krankheit und Verlust geht, konnte mich die Geschichte allerdings nicht so emotional berühren, wie ich es mir gewünscht hätte. Obwohl der Roman weniger als 290 Seiten umfasst, braucht es eine Weile, bis die Geschichte an Fahrt aufnimmt. Zudem gibt es einige Längen. Alles in allem hat mich das Buch außerdem etwas ratlos zurückgelassen. Der amerikanische Originaltitel („Telephone“) wurde nicht übernommen, was ich in diesem Fall gerechtfertigt finde. Auch das deutsche Cover, das ich als ansprechend empfinde, weicht ab. Mein Fazit: Mit „Erschütterung“ konnte mich Percival Everett leider nicht komplett überzeugen. Ein Roman, der zwar auf kreative Weise außergewöhnlich ist, aber sein gesamtes Potenzial nicht ausschöpft.

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