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sursulapitschi

Posted on 29.1.2022

Dieses Buch fängt grandios an und wird noch dazu von Christian Brückner gelesen, einem meiner Lieblingssprecher. Ich war mir sicher, eine Perle entdeckt zu haben. Zach ist Professor für Paläontologie, ein liebenswerter Nerd, der kurz vor der üblichen Ehe- und Midlifekrise steht, als er erfährt, dass seine Tochter todkrank ist. Klug und anrührend wird geschildert, wie sich nach und nach sein Leben ändert, wie er mit einer Situation umgeht, an der man eigentlich nur verzweifeln kann, es erschüttert und nimmt einen sehr mit. Dann findet er eine Nachricht in seiner neuen Jacke, die er gebraucht bei Ebay erstanden hat. Jemand bittet um Hilfe. Das nimmt Zach zum Anlass, seiner grauenhaften Situation zu entfliehen, direkt zum Verkäufer nach New Mexiko. Damit haben wir zwei großartige Ideen für zwei wirklich gute Bücher, nur beide Ideen in einem sind ein recht gewagtes Konstrukt. Wir lassen mal die Frage beiseite, warum ein gut verdienender Paläontologieprofessor gebrauchte Jacken bei Ebay ersteht. Vielleicht leben auch Amerikaner einfach nachhaltiger als man meint. Aber um die Frage, warum ein intelligenter, empathischer Mensch seine Frau mit dem schwer kranken Kind alleine lässt, um fremde Menschen zu retten, kommen wir nicht herum. Natürlich ist das eine Flucht, ein Verdrängungsprozess, und tatsächlich auch ein bisschen Erholung für den Leser, den die Situation fast so bedrückt wie Zack selbst, nur leider wird das kaum vermittelt. Es wirkt fast wie ein Abenteuerausflug, um auf andere Gedanken zu kommen. Von einem, der auszog, Mexikanerinnen zu retten. Dabei macht er das mit Engagement und Sportsgeist, die schreckliche Situation dieser Frauen und die Hintergründe dazu werden aber nur gestreift. Wo wir auf der einen Seite ein erschütterndes Drama miterleben, dessen Aspekte gründlich analysiert und tiefschürfend vermittelt werden, begleitet man hier Indiana Jones auf einer ehrenvollen Mission, die alles vermissen lässt: Motivation, Hintergrund, Spannung oder auch nur Plausibilität. Dieses Buch ist kunstvoll erzählt. Christian Brückner liest es grandios und schafft es, genau den richtigen Ton zu treffen, der Poesie, Zynismus und Emotionen berührend transportiert. Leider hat es sich thematisch ein bisschen viel vorgenommen. Es dauert 9 Stunden und eine Minute, ist keine Zeitverschwendung, aber auch nicht das Highlight, das es hätte werden können.

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