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monerl

Posted on 29.5.2018

(3.5 Sterne) Meine Meinung Der Beginn des Buches ist überragend gut! Nach ein paar Seiten fühlte ich mich in der Geschichte wohl, auch wenn sie sehr traurig beginnt. Für den Jungen Nelson, der außer seiner Mutter niemanden hat, der ihn versteht oder mit ihm zusammensein will, schmolz mein (Mutter)Herz nur so dahin. Er ist ein absolut intelligenter, braver und herzensguter Mensch. Er hat das Herz am rechten Fleck und versteht ganz genau was es bedarf, um für die Umwelt, seine Mitmenschen und aus sich selbst das Beste herauszuholen. Doch damit kommt er nicht weit. Solche Menschen sind eigentlich nicht erwünscht. Man hält sich fern von ihnen. Jungs- und Männerherzen schlagen nicht für emotionale, scheinbar verweichlichte, ehrliche und sensible Kerle. Echte Kerne sind etwas düster, haben viel Spaß, brechen Regeln, prügeln sich und sind genau das Gegenteil von Mädchen und Frauen. All das bekommt Nelson nicht nur im Pfadfinderlager zu spüren. Zu Hause zeigt ihm sein Vater immer wieder aufs Neue was er von ihm als Muttersöhnchen hält und wie er ihn sich eigentlich wünscht. Nelson ist in Butlers Geschichte Dreh- und Angelpunkt. Das Buch ist in vier Abschnitte geteilt. In den ersten drei hat Nelson jeweils eine größere oder kleinere Rolle inne. Aus dem gemobbten und außen vor gelassenen Jungen ist ein Kriegsheld mit stählernen Muskeln geworden. Ein echter Kerl eben. Er hat den Weg eingeschlagen, der aus kleinen Jungs Männer macht: Militärakademie, Waffen, Gewalt und Krieg. Und dennoch konnte Nelson sich und seinen Werten treu bleiben. Er arrangiert sich mit seinem Kriegstrauma und führt das Pfadfinderlager weiter, in dem er seine Jugend verbracht hat. Ab dem zweiten Abschnitt tritt er etwas in den Hintergrund. Wenn man es ganz genau betrachtet, baut die eigentliche Geschichte nicht auf Nelson sondern auf seinem einzigen “Freund” Jonathan auf. Jonathan war Betreuer im Pfadfinderlager als Nelson gerade so ein Teenager war. Wir lernen Jonathan nun als Vater eines 16-jährigen Sohnes kennen, der charakterlich ganz nach Nelson geht und durch und durch ein guter Junge ist. Doch diese Werte zählen unter Männern nicht und so versucht Jonathan seinen Sohn Trevor auf eine Zukunft vorzubereiten, die aus Seitensprüngen, Unehrlichkeit, Alkohol, Erotik… besteht. Liebe und Zärtlichkeit, Sehnsucht und Gutmütigkeit sind Worte, die mit Frauen in Verbindung gebracht werden und bei Männern für ein Lächeln sorgen. Der rote Faden zieht wieder Militär, Waffen Krieg und Gewalt mit sich, bis hin zur nächsten Generation. Thomas, Trevors Sohn und Jonathans Enkel wird Protagonist. Es ist das Jahr 2019 und Frauen werden immer noch nicht in Männerdomänen, wie dem Pfadfinderlager, gern gesehen. Und auch hier zeichnet Nickolas Butler wieder ein Männerbild, von dem die meisten Frauen einfach nur fliehen wollen wenn sie können. Der Autor hat einen intensiven und einnehmenden Schreibstil, der mir sehr gefällt. Leider bin ich mir aber nicht ganz so sicher, welche Intention er mit dem Buch anstrebt. Will er zeigen, dass Männer einfach grob sein müssen, um echte Männer zu sein? Zeigen, dass sich Männer von den weichen Frauen absondern müssen, um eigenständig wahrgenommen zu werden? Will er aufführen, dass Männer keine Chance bekommen, anders zu werden oder zu sein, um von der Masse angenommen zu werden? Dass nur ein Soldat seinen Mann stehen kann? Dass Frauen, egal in welchem Zeitalter, immer Angst vor Männern haben müssen oder zumindest immer Vorsicht walten lassen sollen? Die Kapitel um Thomas und seine Mutter empfand ich als nicht so ganz gelungen. Irgenwie passten sie sich nicht richtig flüssig in den bisherigen Erzählstil ein. Auch das Ende vermittelt mir irgendwie das Gefühl, dass der Autor nicht so richtig wusste, wohin mit der Geschichte. Ich empfinde es als nicht ganz rund. Mir ist das Buch ein bisschen zu sehr schwarz und weiß. Vom Autor ist diese Überzeichnung wahrscheinlich gewollt. Schlussendlich waren es mir dann doch zu viele Klischees, zu viel Männer sind hart und Frauen müssen beschützt werden und sind so abhängig von ihren (Ehe)männern. Fazit Ein wundervoll geschriebenes Buch, mit einer ursprünglich tollen Idee, das in der Ausführung mit zu vielen Themen und Stereotypen vollbepackt ist und den roten Faden verliert. Ein Buch, das hervorragend beginnt, im letzten Drittel aber ziemlich schwächelt. Ich hatte mir viel mehr versprochen, viel mehr an Freundschaft und Loyalitäten, wie es in der Buchbeschreibung aufgeführt wurde. Doch diese Themen werden eher am Rande behandelt und stehen bei den Protagonisten nicht im Fokus.

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