stefan182
Inhalt: 200 Jahre sind vergangen, seitdem Hildegunst von Mythenmetz - durchströmt von Orm - das brennende Buchhaim verlassen hat. Mittlerweile ist er ein gefeierter Schriftsteller und produziert einen Bestseller nach dem anderen. Doch: Zuletzt fehlt seinen Werken das gewisse Etwas; das Orm scheint ihm abhandengekommen zu sein. Zudem erreicht Hildegunst plötzlich ein mysteriöser Brief, der den Schreibstil Hildegunsts imitiert und inhaltlich die Schreibangst eines Schriftstellers thematisiert. Besonders schockierend ist aber der (angebliche?) Name des Absenders: Hildegunst von Mythenmetz, wohnhaft in der Ledernen Grotte unterhalb von Buchhaim. Um dieses Rätsel zu lösen, begibt sich Hildegunst erneut nach Buchhaim… Persönliche Meinung: „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ ist ein phantastischer Zamonien-Roman von Walter Moers. Es handelt sich – nach „Die Stadt der Träumenden Bücher“ – um den zweiten Teil der Buchhaim-Trilogie. Erzählt wird der Roman aus der Ich-Perspektive von Hildegunst von Mythenmetz. Wie viele andere Moers-Bücher – insbesondere „Die Stadt der Träumenden Bücher“ – beschäftigt sich auch „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ stark mit dem Medium „Buch“ und dem literarischen Schaffensprozess bzw. dem Erzählen, sodass es Züge eines Meta-Buches besitzt. Handlungsort ist erneut Buchhaim, das allerdings nach dem verheerenden Brand vor 200 Jahren wenig mit dem mittelalterlichen Buchhaim aus „Die Stadt der Träumenden Bücher“ gemein hat. Verwinkelte Gassen existieren kaum noch, die Stadt ist geschäftiger und moderner geworden. Außerdem hat sich eine neue (Meta-)Kunstform durchgesetzt: der Puppetismus (Puppentheater aller Art). Handlungstechnisch geschieht in „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ erstaunlich wenig. Hauptsächlich werden Hildegunsts Lücken gefüllt, die er nach der 200-jährigen Abwesenheit von Buchhaim besitzt. So trifft Hildegunst einige alte Bekannte, die ihm einen Crashkurs der Geschichte Buchhaims geben, den Puppetismus erklären, Detailfragen zu Katakomben, Bücherjägern und Co. beantworten und ihn durch das neue Buchhaim führen. Beeindruckend ist dabei, dass man den „Infodump“ gar nicht als solchen wahrnimmt. Langeweile kommt dabei kaum auf. Das liegt einerseits an dem sehr bildhaften, wortverliebten und flüssig zu lesenden Erzählstil Moers'. Andererseits erschafft Moers immer wieder kreative Szenarien, in denen die Infos eingebettet werden, sodass der Informationsfluss schön aufgelockert wird. Neben den Informationen zum neuen Buchhaim nimmt auch der Puppetismus (und seine Geschichte) einen großen Raum im Roman ein. Das geht sogar so weit, dass die Handlung des Vorgängerromans mithilfe einer puppetistischen Inszenierung in „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ rekapituliert wird. Auch hier beweist der Roman wieder selbstreferentielle Qualitäten: Hildegunst kommentiert Abweichungen zwischen der puppetistischen Inszenierung und der Buchform, diskutiert den Mediumswitch und die „Kunsttheorie“ des Puppetismus. Der Roman endet an seiner spannendsten Stelle, ohne dass aufgeworfene Handlungsfäden aufgerollt worden wären. Der Schlusssatz hat es aber in sich, da er den Lesenden schon fast höhnisch ins Gesicht lacht (was ich gar nicht negativ meine; das passt ziemlich gut ins Zamonien-Konzept). Dieses abrupte Ende hat auch seinen Grund. Im Nachwort gibt der „Übersetzer“ Moers an, die ursprüngliche Handlung des Romans sei so voluminös und komplex gewesen, dass er sie auf zwei Bücher habe splitten müssen. Dieser dritte Buchhaim-Band ist allerdings noch nicht erschienen, sodass ein abschließendes Urteil über „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ schwerfällt. Vieles mutet hier wie ein großangelegter, bisweilen ausufernder Handlungsauftakt an, dessen Vollendendung (noch) in den Sternen steht. Allerdings hat mich das bei der Lektüre kaum gestört: Auch, wenn einige Aspekte (noch) offenbleiben, gelang es Moers abermals, mich durch seinen typischen, wortverliebten Schreibstil und viele kreative Szenen zu packen und in eine phantastische Welt zu entführen.