miss_pageturner
Dieses Buch wanderte im Zuge meines “Mehr Sachbücher lesen Plans” auf meine Leseliste. Vielleicht auch wurde meine Motivation dazu auch ein bisschen von den “Pinky Gloves” beeinflusst. Zwei Männer “erfinden” pinke Handschuhe, weil sie in der WG im Badmülleimer eingewickelte Tampons entdeckten und das total unangenehm [sic] fanden. Zwar rechtfertigt diese unnütze und umweltbelastende Idee nicht die Anfeindungen bis Morddrohungen gegen die Beiden, sie führt eine jedoch vor Augen, wie tabuisiert und als “versteckenswert” die Periode immer noch betrachtet wird. Wir bluten. Get over it! Alles begann mit einer Abschlussarbeit und einem Facebookpost. Mehr zufällig, als geplant wird, Franka Frei zur Menstruationsaktivistin, doch dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass jeder etwas bewegen kann. Was als Idee für die Bachelorarbeit begann, ist nun eine waschechte Kampfansage an das Menstruationstabu geworden und dieses Manifest ist das vorläufige Ergebnis. Und das Wort Manifest trifft es schon ganz gut, aber dazu später mehr. Als Erstes möchte ich näher auf den Inhalt des Buches eingehen und warum wir Bücher wie dieses so dringend brauchen und warum nicht nur Menschen mit Uterus es lesen sollten. Was mir beim Lesen erneut klar geworden ist, ist, wie viel Glück ich selbst hatte. Ich hatte eine Mutter, die bereits vor meiner ersten Periode mit mir offen über das Thema sprach, sodass ich wusste, was auf mich zukommt, ich habe die finanziellen Möglichkeiten mir die Menstruationsprodukte zu kaufen, die ich bevorzuge und ich habe einen Partner mit dem ich offen und über meinen Zyklus und meine Menstruation reden kann, ohne dass er angewidert den Mund verzieht. Alles Gründe warum ich heute unbeschwert und frei heraus über das Thema Menstruation reden kann, doch es sind Privilegien, das ist mir bewusst, denn ein beträchtlicher teil der menstruierenden Menschen auf dieser Welt hat diese Freiheit nicht und Schuld daran ist, wie Franka Frei in diesem Buch mehr anschaulich aufführt, nicht ausschließlich, aber zum großen Teil das Menstruationstabu. "Tabus machen unfrei, denn sie beschneiden das elementare Recht, Fragen zu stellen […] Am Ende sind es die Frauen*, die draufzahlen. Und zwar nicht nur mit Geld, sondern auch mit Schmerzen, Stress, Scham und anderen negativen Gefühlen, die sie daran hindern, wirklich “befreit” zu leben." (Periode ist politisch: Ein Manifest gegen das Menstruationstabu von Franka Frei, HeyneHardcore, 2020, S. 14) Anschaulich und mit einer ordentlichen Portion Witz, Ironie und Sarkasmus zeigt die Autorin, was das Menstruationstabu für Menstruierende im Einzelnen bedeutet. Dabei hat sie einen globalen Blick und schilder beispielsweise die Art und Weise, wie Menstruierende während ihrer Tage in manchen Teilen der Welt von der Gesellschaft ausgeschlossen werden, aus dem Haus ausgesperrt oder in eigens dafür vorgesehenen Menstruationshütten ausharren müssen. Nicht selten auch in bitterer Kälte. In Nepal und anderen Ländern sterben jedes Jahr, trotz Verbot der Menstruationshütten Menschen, weil sie in diesen Hütten erfrieren, ersticken oder von Tieren getötet werden und die Zahl derjenigen, die im Schutz der Abgelegenheit vergewaltigt worden sind, ist dunkel, aber garantiert erschreckend hoch. Und das alles nur, weil ein eigentlich natürlicher Prozess, der Grundlage allen menschlichen Lebens ist, von einer Handvoll Männern als unrein und schmutzig deklariert wurde. Aber auch die Menstruationsarmut ist ein Problem, das Franka in ihrem Buch anspricht. In Kenia bieten 10% der 15-jährigen Sex gegen Geld für Binden an. Wer sich keine Menstruationsprodukte leisten kann benutzt andere Materialien von Lumpen, über Pflanzen bis zu getrockneten Kuhmist. Doch Menstruationsproblem ist nicht nur in Entwicklungsländern ein Problem, auch in Europa gibt es Menschen, die sich diese Produkte nicht leisten können. Hinzu kommen Ausfälle in der Schule oder auf der Arbeit während der Periode. Das Menstruationstabu verursacht damit also auch neben den persönlichen verminderten Bildungs- und Arbeitschancen von Menstruierenden einen reellen Wirtschaftsschaden und geht damit uns allen etwa an, auch Menschen ohne Uterus. Erhebt eure Stimme Doch Franka Frei zeigt uns nicht nur die Probleme, sie spricht auch über Lösungen und räumt in ihrem Buch viel Platz diversen Aktivist*innen ein und schildert, wie diese in ihren Ländern gegen das Menstruationstabu ankämpfen. Zugegeben, nicht mit allen Positionen, die Franka vertritt, stimme ich überein und ich kann auch diejenigen Rezensent*innen verstehen, die die Art der Autorin ihre Position zu vermitteln als belehrend empfinden. Hier zeigt sich schon deutlich, dass Manifest das treffende Attribut für dieses Buch ist. Mich persönlich hat das nicht so gestört. Ich muss nicht mit allen Aussagen übereinstimmen, um aus einem Buch dennoch lehrreiches mitzunehmen, aber das ist auch eine Sache des persönlichen Empfindens. Was mich jedoch gestört hat und im Endeffekt den Punkt Abzug bedeutete ist zum einen, dass sich viele Aussagen zum Ende hin wiederholten und zum anderen, dass das Buch noch etwas mehr Struktur vertragen hätte. Die Ansätze dafür sind da, trotzdem verfällt die Autorin hin und wieder in einen sprunghaften Erzählstil. Hier einfach etwas mehr Fokus und das Kernthema des Kapitels und alles wirkt gleich viel klarer. Auch hätte ich mir zum Ende noch ein knackiges, ordentliches Fazit gewünscht, dass die Positionen zusammenfasst und die wichtigsten Aussagen nochmal unterstreicht. Das Buch plätschert nämlich leider so lapidar aus, da fehlt der letzte verbale Wumms am Ende. Fazit: Das Buch verdient eine klare Leseempfehlung, und zwar nicht nur an Menschen mit Uterus. Locker und humorvoll führt Franka Frei aus, was das Menstruationstabu im Einzelnen bedeutet, welcher Schaden entsteht und gibt jenen eine Bühne, die dagegen ankämpfen. Ein klein wenig mehr Fokus, ein schnittiges Fazit und etwas weniger Wiederholungen zum Ende und das Buch hätte sich die volle Punktzahl erkämpft. Trotzdem bleibt es eine mehr als lesenswerte Lektüre.