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miss_pageturner

Posted on 23.1.2022

Echo stand schon auf meiner Wunschliste, seit ich es Jan. 2021 in den Neuerscheinungen entdeckte und ich habe mich daher sehr auf das Lesen gefreut. Die Macht des Maudit Eigentlich wollte Nick Grevers nur seinem geliebten Hobby, dem Bergsteigen nachgehen, doch sein und das Leben seines Lebensgefährten Sam ändert sich auf einen Schlag, als Nick auf seiner Tour einen Berg entdeckt, den er noch nie gesehen hat: den Maudit. Während Anwohner ihn zu fürchten scheinen und Reiseführer und Internet auffallend wenig Informationen über ihn liefern, ist Nick von dem Berg wie magisch angezogen und das Unheil nimmt seinen Lauf. "Der Berg hat gerufen, und wir sind ihm untertan. Wir können seinem Sirenengesang nur folgen." (Echo von Thomas Olde Heuvelt, Heyne, 2021, S. 100.) Das Berge etwas Dunkles und Bedrohliches haben können, wissen wir nicht erst seit Lovecrafts “Berge des Wahnsinns” aus dem Heuvelt auch mehrmals zitiert. Und dennoch wie Thomas Olde Heuvelt hier einem Haufen Fels eine abgrundtief böse Seele verleiht, ist einzigartig. Der Autor ist ein Meister der Atmosphäre. Egal ob es sich um eine dunkle Berghütte, die windgepeitschten Gipfel der Berge oder um ein kleines Bergdorf vom Sturm umtost handelt, Heuvelt erschafft Gänsehautbilder im Kopf, lässt den*die Leser*in das Gefühl schwindelerregende Höhen verspüren, die Eiseskälte fühlen und die finstersten Schatten sehen. Grund dafür ist sicherlich der für einen Horrorroman eigenwillige, aber faszinierende Schreibstil. Man kann es eigentlich schon opulent nennen, denn der Autor geizt nicht an Sprachgewalt und imposanten Metaphern. Aber was anderes würde auch zu den gewaltigen alterslosen Berge der Alpen passen? Wenn man man Naturgewalten beschreiben will udn eine solche zum Kern des Romans macht, dann braucht es eben große Worte. Die Abgründe in jedem einzelnen Doch genauso, wie man einen Berg nicht in Eiltempo besteigen kann, lässt sich auch Echo nicht mal eben weglesen. Denn nicht nur Sprachstil, auch Heuvelts Erzählweise bedürfen einer gewissen Konzentration. Das Buch ist nicht chronologisch aufgebaut, sondern eine Aneinanderreihung diverser Aufzeichnungen von Nick und Sam. Zwar fügt sich am Ende alles schlüssig und chronologisch nachvollziehbar zusammen, aber auf dem Weg dahin kann es schon mal etwas verwirrend werden. Wenn man sich jedoch darauf einlässt und akzeptiert nicht alles sofort zu erfahren, wird das Durchhaltevermögen belohnt. Dies sei ebenfalls in Bezug auf die Spannung gesagt. Nach einem nervenaufreibenden, gruseligen Prolog, der mich das Licht im ganzen Haus anmachen ließ, folgt das erste Drittel des Buches eine Phase des langsamen Storyaufbaus, in dem wir vor allem mit den Charakteren, ihren Eigenarten und Abgründen vertraut gemacht werden. Hier hätte man sicherlich die ein oder andere Szene kürzen können, aber ich kann euch trotzdem raten, drann zu bleiben, die zweite Hälfte wird dann deutlich ereignisreicher und Geheimnisse beginnen sich zu lüften. Ich denke mit ein Grund, warum der Autor sich für eine so lange “Aufbauphase” entschieden hat ist, dass er die Protagonisten Sam und Nick dem*r Leser*in bis ins kleinste Detail nahe bringen wollte. Das ist nicht immer angenehm, denn gerade Sam ist kein sympathischer Charakter. Er ist egoistisch und extrem oberflächlich. Und doch, in Nachhinein, bin ich überzeugt, dass die Geschichte mit keinem anderen Charakter funktioniert hätte, denn Heuvelt arbeitet nicht nur mit dem Horror einer dunklen, uralten Macht, sondern setzt auch viel auf die ganz persönlichen Abgründe seiner Protagonisten. Die innere Finsternis, dunkle Wünsche und Begehren stellen für Sam und Nick eine ebenso große Bedrohung dar, wie der Maudit selbst. Tatsächlich kann man nicht immer sagen, was an Dunkelheit vom Maudit, und was von den Protagonisten selbst kommt. Das mag ein subtilerer Horror, als eine böse Macht ein, verfehlt ihre Wirkung aber nicht. "Wenn man die Dynamik zwischen zwei Menschen verändert, starren beide mit großen Augen in ihre eigene Finsternis." (Echo von Thomas Olde Heuvelt, Heyne, 2021, S. 50) Das Einzige womit ich dann doch gar nicht klarkam, war Sams Denglisch. Das war einfach zu viel, ein Anglizismen jagt das nächste und es wirkte insgesamt einfach nur aufgesetzt, unnatürlich und lächerlich. Dies ist zusammen mit dem etwas langsamen ersten Drittel der Hauptgrund für meine einen Punkt Abzug. Was mir auch nicht hundert Prozent zusagte, war das Ende. Für meinen Geschmack war das nämlich etwas zu psychedelisch, aber das ist, glaube ich, tatsächlich eher Geschmackssache, weshalb ich das zwar erwähnen wollte, aber nicht direkt als Kritikpunkt betrachte. Fazit: Echo ist gewaltig, in mehr als einer Hinsicht. Sprachlich opulent und mit einem feinen Gespür für Atmosphäre und subtilen Horror erzählt Thomas Olde Heuvelt von Naturgewalten, inneren Abgründen und dem Grauen im Angesicht der Endlosigkeit. Echo muss man sich mit Muße und Geduld zugute führen, wer sich aber darauf einlässt wird mit einem imposanten Leseerlebnis belohnt. Lediglich den überbordernden Gebrauch von Anglizismen hätte sich der Autor wirklich sparen können.

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