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Dreamworx

Posted on 16.1.2022

Langsam kommendes Glück pflegt auch am längsten zu weilen. (Saadî) 1951. Während Deutschland mitten im Wirtschaftswunder steckt, hat Frida den Unternehmer Horst Hinrichs geheiratet, den Vater ihrer Tochter Meike. Eigentlich müsste Frida glücklich sein, denn es mangelt der Familie an nichts, doch Horst ist immer wieder Abwegen, so dass sie schon bald wieder zu ihrer Mutter ins Haus am Deich einzieht, um Abstand zu gewinnen und sich über ihre Gefühle klar zu werden. Währenddessen hat sich ihre ledige Freundin Erna zwar zu einer Karrierefrau entwickelt, doch sie leidet sehr unter der Trennung ihrer Tochter Sanne, die aufgrund von Ernas Familie erst in einer Pflegefamilie untergebracht war, um dann in einem Heim zu landen. Aber sowohl Frida als auch Erna nehmen täglich den Kampf auf für ein glückliches Leben mit ihren Kindern… Regine Kölpin hat mit „Unruhige Wasser“ den zweiten Band ihrer Deichtrilogie vorgelegt, der dem Vorgänger an Unterhaltungswert und historischem Hintergrund in nichts nachsteht. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil lädt den Leser erneut ein, sich auf die Reise ins vergangene Jahrhundert zu begeben, um sich im Haus am Deich einzumieten und von dort aus die Geschicke von Frida, Erna und deren Lieben aus nächster Nähe mitzuverfolgen. Während Frida sich den ständigen Eskapaden von Horst ausgesetzt sieht, der seine Frau immer wieder aufs Neue mit seinen Seitensprüngen brüskiert, muss Erna mit den wenigen ihr zugedachten Stunden vorlieb nehmen, in denen sie ihre Tochter Sanne sehen darf. Ernas Vater ist unerbittlich, was seine Enkelin betrifft und zerstört mit seiner Grausamkeit die gesamte Familie. Frida, die sich in ihrem Schmerz und ihrer Sehnsucht nach Glück an der Schulter Trost bei ihrer heimlichen Liebe Focko gesucht hat, hütet seitdem ein Geheimnis und hat Angst, dass dieses ihr mal um die Ohren fliegt. Die Autorin lässt während ihrer gefühlvollen Geschichte die Zeit des Wirtschaftswunders wunderbar Revue passieren. In den Geschäften gibt es wieder alles, was das Herz begehrt, die ersten Autos werden erworben, doch gleichzeitig halten manche Menschen noch immer an ihren alten Gesinnungen fest. Auch die Rolle der Frau hat sich nicht verändert, sie steht weiterhin unter der Knute des Mannes und kann kaum eigene Entscheidungen fällen. Der Zusammenhalt zwischen Frida und Erna wird dafür umso deutlicher, die beiden Frauen unterstützen sich in allen Lebenslagen, spenden sich gegenseitig Trost und geben sich Selbstvertrauen. Schlimm sind dagegen die geschilderten Umstände in dem Waisenhaus, wo Sanne untergebracht ist, so dass man als Leser ständig hofft, dass es Erna gelingt, ihre Tochter endlich dort herauszuholen. Die Charaktere sprühen vor Lebendigkeit und haben sich glaubhaft weiterentwickelt. Der Leser folgt ihnen auf Schritt und Tritt, um keine Gefühlsregung und kein Ereignis zu verpassen. Frida ist eine herzliche Frau und wunderbare Mutter, die alles für ihre Lieben tut und etwas länger braucht, bis sie schwerwiegende Entscheidungen trifft. Erna dagegen ist offener und mutiger, doch auch sie wird oft genug von ihrem eigenen Vater ausgebremst. Fridas Mutter Margret ist eine patente Frau, die sich allerdings zu sehr in das Leben ihrer Tochter einmischt und zu manipulieren versucht. Horst ist ein Draufgänger, der einfach nicht anders kann. Ernas Vater Heinz ist ein harter und grausamer Mann, der seine Familie drangsaliert und oft wie ein Tier um sich schlägt. „Unruhige Wasser“ ist eine sehr gelungene Fortsetzung, die mit einer Mischung aus Historie, Familiengeschichte, Liebe, Geheimnissen und Freundschaft wunderbar zu unterhalten weiß. Einmal begonnen, lässt sich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Absolute Leseempfehlung für ein wunderbares Kopfkino und beste Unterhaltung!

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