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Buchdoktor

Posted on 12.1.2022

Olenka ist mit falschen Papieren in Helsinki untergetaucht und arbeitet dort seit einigen Jahren als Putzfrau. Während sie regelmäßig die Gewohnheiten einer Familie im Park beobachtet, braucht Olenka eine plausible Beschäftigung, um nicht aufzufallen. Wer nicht mit Kindern, Hund oder Snack in den Park kommt, sollte besser eine Tätigkeit vortäuschen. Darum liest Olenka auf einer Parkbank. Als sie ausgerechnet hier eine Frau aus ihrem ukrainischen Dorf trifft, bringt das ihre bisher umsichtige Planung ins Wanken. Olenka hatte sich zuvor erfolglos als Model versucht, damit ihre Familie nicht länger Mohn für Drogenhändler anbauen musste. Ihre Sprachbegabung war nach einer kurzen Episode als Eizellspenderin schließlich Tor zur Karriere als Betreuerin wohlhabender Ausländer, die zur Eizellspende oder die Anbahnung einer Leihmutterschaft in die Ukraine reisten. Da Menschen offenbar betrogen sein wollen, glaubten Klienten der Agentur, ausgerechnet in einer Bergwerksgegend eine Auslese junger, hellhäutiger, angeblich besonders gesund aufgewachsener Frauen zu finden. Olenkas Chefin bot alles aus einer Hand: Spenderinnen aus dem Katalog, Behandlung, Unterkunft und Leihmütter. Als Olenkas Mutter sie darum bittet, auch Daria aus ihrem Dorf in der florierenden Branche einen Job zu verschaffen, setzt das Daria nicht nur in lebenslange Abhängigkeit von Olenka, sondern führt auch zum Treffen der Frauen nun auf einer Parkbank in Helsinki. Wer einen Rundum-Service wie Olenkas Chefin bietet, muss seinen Klienten Vertraulichkeit zusichern können und kann sich keinen Fehler leisten. Dass Daria die untergetauchte Olenka in Helsinki erkennt, gefährdet die Vermittlung „assistierter Anschaffung von Kindern“ in der Ukraine, aber auch die beiden Frauen selbst. Olenka als Icherzählerin berichtet von ihrem Weg in die lukrative Reproduktionsmedizin der Ukraine und erzählt rückblickend die Geschichte ihrer Eltern, die in jeweils unterschiedliche Regionen verbannt und dadurch zu Unpersonen in der zerfallenden Sowjetunion geworden waren. So wie Olenka in der Erinnerung zwischen Paris, Helsinki und ihrem kleinen Dorf unterwegs ist, springt auch ihre Erzählung zwischen der Gegenwart von 2016 und der Vorgeschichte 10 Jahre zuvor. Olenka richtet sich an ein „Du“, das mir recht lange verborgen blieb, weil der Vorhang vor den Ereignissen nur langsam gelüftet wird. Ein ernüchternder Bericht über junge Frauen, die dringend Geld brauchen und ihre Gesundheit für reiche Ausländer riskieren. Sofie Oksanen gibt dabei Einblick in die komplizierten Emotionen leiblicher und sozialer Mütter, die lebenslang aneinander gekettet bleiben werden …

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