Lesen macht glücklich
Über die Benachteiligung der Frauen im Literaturbetrieb Viel wurde schon geschrieben über dieses Buch, das einen Blick dahin wirft, wo es wehtut. Und zwar in den Literaturbetrieb und wie dieser systematisch Frauen benachteiligt. Dabei legt die Autorin Nicole Seifert einen sehr ruhigen Ton an den Tag, obwohl sie auch wütend hätte schreiben können. Wütend, weil so viele Ungerechtigkeiten seit Jahrhunderten den Frauen angedeihen. Und selbst wenn sich das weibliche Geschlecht schon viele Freiheiten erkämpft hat, so ist es doch in vielen Bereichen wohl immer noch ein weiter Weg, um Gleichberechtigung zu erlangen. Der Literaturbetrieb ist da nur eine Sparte von vielen. Doch in genau diese legt Nicole Seifert, die selber schon seit vielen Jahren in diesem Bereich tätig ist (Übersetzerin, Buchhändlerlehre und vieles mehr), ein Schlaglicht, um unter dieser hellen Bestrahlung einige Dinge aus dem Schatten zu holen und uns allen offen darzulegen. Ich möchte nun selber dieses Buch aufgrund der dargelegten Fakten mehr anpreisen denn besprechen und auch mein eigenes Leseverhalten dahingehend einbringen. Denn auch ich habe für mich festgestellt, dass in den zurückliegenden Jahren vor allem Literatur von Frauen viel stärker auf mich gewirkt hat, als die Bücher von Autoren. Zu viele Autoren im Regal? Diese Frage stellte sich eines Tages die Autorin Nicole Seifert und machte ein Experiment, das sie bis heute nicht bereute. Sie hat drei Jahre lang ausschließlich Bücher von Frauen gelesen und während dieser Zeit sind ihr einige Punkte bewusst geworden. Angefangen über die Bücher, die uns allen während der Schulzeit auf die Augen gedrückt werden, über die Kanonisierung der Literatur, bis hin zu den Neuerscheinungen sind überall oftmals Autoren zu sehen, aber weniger bis gar nicht Autorinnen. Doch warum ist das so? Dieser zentralen Frage widmet sich das Buch „FrauenLiteratur“ ebenso wie den Punkten, warum immer mehr Autoren statt Autorinnen besprochen werden, warum Frauen nur bestimmte Themen beschreiben können, während den Männern die hochwertige Belletristik vorbehalten bleibt. Untermauert wird dies alles anhand konkreter Beispiele, die die Autorin gekonnt einstreut. Die Quintessenz des Ganzen kann unter dem Motto „Es ist noch viel zu tun“ zusammengefasst werden. Schaue ich in mein eigenes Regal… … dann muss ich mir an meine eigene Nase fassen. Das, was Nicole als Erweckungserlebnis bezeichnete, ist bei mir noch allgegenwärtig – zu viele Autoren im Regal. Wobei ich aber sagen muss, dass es Nicole selbst war, die bei mir schon vor Jahren das Bewusstsein für Autorinnen mit der Aktion #frauenzählen geschärft hat die sie zusammen mit der Autorin Berit Glanz gestartet hatte und dabei bei den Verlagsvorschauen einer Frühjahrsvorschau (ich glaube 2019 war das) zu zählen, wie das Verhältnis an Veröffentlichungen zwischen Autoren und Autorinnen ist. Das Ergebnis war zwar nicht erschreckend, aber trotzdem ernüchternd, da ein starker Überhang an Autoren zu erkennen war. Das dies keine wissenschaftliche Studie, vielmehr eine Stichprobe war, kann man hier zwar ruhig erwähnen, aber wenn man diese Stichprobe auf mehrere Vorschaujahrgänge ausweiten würde, wäre das Ergebnis sicher nicht anders. Aus diesem Frauenzählen wurde die Geburtsstunde für das vorliegende Buch, in dem Nicole nicht nur auf das Vorschauen zählen eingeht, sondern auch auf grundlegendere Probleme des Literaturbetriebs eingeht, die sehr leicht auf die meisten Branchen ausgeweitet werden können. Sie fasst einen weiten Bogen von der Historie des Schreibens von Romanen, wie es dazu kam, dass mehr Männer als Frauen in den Fokus der Kritik geraten konnten und warum das bis heute nachwirkt, insbesondere was die Kanonisierung der Literatur angeht. Insbesondere solange dieses Instrument immer noch von Männern betrieben wird, wird sich auch nichts daran ändern, denn diese halten an den alten Strukturen fest. Bei der Fülle an Themen und den dargereichten Beispielen ist es nicht verwunderlich, dass in diesem Buch viele Dinge nur bedingt in epischer Breite angesprochen werden können. Doch man hat nie das Gefühl, dass es der Anspruch von Nicole Seifert war, hier eine vollumfassende Studie über Literatur von Frauen vorzulegen. Vielmehr vermittelt sie hier Denkanstöße zu verschiedenen Bereichen. Wie weit man diese dann weiter verfolgt, ist letztendlich jedem und jeder LeserIn selbst überlassen. Ich habe zumindest seit der Aktion Frauenzählen für mich festgestellt, dass die meisten der richtig guten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, mit wenigen Ausnahmen von Frauen geschrieben wurden. Sie haben mir entweder für Themen die Augen geöffnet, die ich so bei Autoren nie lesen würde, oder sie haben es einfach besser geschrieben als vergleichbare Werke aus der Feder von Autoren. Das soll jetzt nicht bedeuten, dass die einen oder die anderen besser schreiben, denn letztendlich ist das immer eine Frage des persönlichen Geschmacks. Aber auch auf diesen Punkt geht das Buch etwas detaillierter ein. Dieses Buch ist somit keine vollumfassende Wissensvermittlung, will es auch gar nicht sein. Vielmehr werden viele diverse Punkte angeschnitten und mit Beispielen unterfüttert. Somit wird der Ausgangspunkt, die Vorschauen zu zählen, mehr als bestätigt. Die Autorin verfolgt dabei vielfältige Probleme und bietet auch einige Lösungsansätze. Doch das wichtigste dabei ist, das wir alle Teil der Lösung sind, indem wir die Aufteilung in unseren Bücherregalen etwas auflockern. Es ist niemand gezwungen, nur noch Autorinnen zu lesen, was auch keiner verlangt. Jedoch sollte man versuchen, sich in vielen Punkten zu hinterfragen, ob man den Status Quo aufbrechen möchte, um sich neuen Wegen hinzugeben. Ich denke, es wird keiner bereuen, mehr Autorinnen in sein Leben zu lassen, denn viele Frauen schreiben gute Belletristik und das manchmal sogar forscher und brutaler als die männlichen Kollegen. Und daraus ergibt sich ein Projekt Seit der Lektüre von diesem Buch und eigentlich schon seit der Aktion #frauenzählen bzw #frauenlesen ist das bewusste Lesen von Autorinnen viel stärker in meinen Fokus gerückt. Manche machen dabei den radikalen Schnitt und lesen nur noch weiblich. Das wäre mir persönlich aber zu krass, da es auch einige Männer gibt, die richtig gute und weniger männlichkeitsbezogene Bücher schrieben. Mein Ziel ist es daher, langfristig eine ungefähre Gleichheit zwischen Autorinnen und Autoren bei den gelesenen Büchern herzustellen. Dazu möchte ich auch die Aktion #12für2022 nutzen, bei der man sich auf 12 Bücher festlegt, die man dann über das Jahr 2022 verteilt liest. Diese 12 Bücher, die ich mir dafür ausgesucht habe, sind allesamt von Autorinnen und bei mir erst vor kurzem alle eingezogen. Dieser Stapel soll dabei symbolisch für all die Autorinnen sein, die ich vorhabe 2022 zu lesen. Also, lasst es uns angehen und mehr weibliche Literatur lesen. Sie wird euch definitiv bereichern.