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gwyn

Posted on 8.1.2022

Der Anfang, ein Cop-Krimi: «Als Jonah das Blut roch, war ihm klar, dass er in Schwierigkeiten steckte. An dem alten Kai war es stockfinster. Keine einzige Straßenlaterne brannte, die Lagerhäuser lagen im Dunkeln, Relikte einer anderen Zeit. Die Scheinwerfer des Saab beleuchteten eine industrielle Geisterstadt. Jonah starrte aus dem Fenster. Er hatte den größten Teil seines Lebens in London verbracht, und doch gab es immer noch Ecken, von deren Existenz er nichts wusste. Und eigentlich auch nichts wissen wollte, jedenfalls in diesem Fall.» Jonah Colley ist Detektiv bei der Eingreiftruppe in London. Als sich sein einst bester Freund Gavin meldet, er möge am späten Abend zum Slaughter Quai kommen, überlegt er nicht lange; denn es ginge um Theo. Vor zehn Jahren verschwand Jonahs Sohn spurlos vom Spielplatz – Jonah war kurz auf der Bank eingenickt. Wahrscheinlich ein Unfall. War Theo wirklich in ein Abflussrohr geklettert? Oder ist er entführt worden? Die Leiche des Jungen wurde nie gefunden. Es gab die Verhaftung von einem zwielichtigen Typen, der sich auf dem Spielplatz herumgetrieben hatte. Doch der hatte anscheinend ein Alibi. Nach diesem Ereignis war Jonahs Leben zerstört. Er hatte sich alle Schuld gegeben, weil er eingenickt war – seine Frau hatte ihm die Schuld gegeben – und sie hatte sich von Jonah scheiden lassen. Seit diesem Tag war auch die Freundschaft mit Gavin zerronnen. Warum auch immer, sie hatten sich beruflich und privat auseinandergelebt. Und nun meldet er sich, hat Informationen über Theo? «Raus hier. Sofort! Jonah wollte gerade loslaufen, da hörte er wieder das Geräusch. Ein Knistern, direkt vor ihm. Am obersten Plastikbündel hatte sich eine Ecke der Folie gelöst. Vorsichtig schob er sie beiseite. Darunter, undeutlich unter weiteren Plastiklagen, war ein Gesicht. Jonah starrte es an. Einen Augenblick lang passierte nichts. Dann öffnete sich der Mund und saugte die Plastikfolie an.» Der Schlachterkai, das ehemalige Schlachtgelände, liegt ziemlich abseits, dunkel und verlassen mit seinen alten Lagerhäusern am Fluss. Jonah humpelt auf Krücken in das angegebene Lagerhaus. Er war gerade aus dem Krankenhaus zurückgekehrt, sein Bein macht ihm noch zu schaffen. Dunkelheit umgibt ihn, aber der Geruch ist unverkennbar. Mit der Taschenlampe in der Hand sucht er sich seinen Weg. Und er stößt auf den übel zugerichteten Gavin, der in einer großen Blutlache liegt. Er ist tot. Anscheinend kam Jonah nur Minuten zu spät. Kein Empfang auf dem Handy. Er muss nach draußen, die Kollegen rufen. Auf dem Rückweg macht er in einer Ecke eine grausige Entdeckung: mehrere Körper, fest eingewickelt in Plastikplane. Doch eine scheint sich zu bewegen. Eine Frau! Jonah schafft es, in Kleinarbeit ihr Gesicht von der Folie zu befreien. Sie atmet, der Körper ist mit Ätzkalk bestreut. Wird sie durchkommen? Sie flüstert ihren Namen. Doch da vernimmt Jonah ein Geräusch. Jemand versucht ihn zu überwältigen, doch der Polizist weiß sich zu wehren. Mit seiner Beinverletzung kann er nicht lange standhalten, und das letzte, woran er sich erinnern kann ist ein Schlag auf den Kopf. Als er im Krankenhaus erwacht, muss er den Kollegen ein paar unangenehme Fragen beantworten. Was hatte er am Slaughter Quai zu suchen und wer sind diese übel zugerichteten Toten? Gavin wurde nicht gefunden, doch eine Blutlache befindet sich an der Stelle, die Jonah beschrieben hat. Trotz einer schweren Gehirnerschütterung, diverser Knochenbrüche – das Bein ist noch mehr malträtiert als zuvor, fängt Jonah an zu ermitteln. Privat selbstverständlich, denn es geht um Theo. Kann es sein, dass Theo lebt? Was hatte Gavin herausgefunden? Jonah humpelt auf Krücken durch die Geschichte, er ist kein Superheld, sondern einer, dem alle misstrauen, angefangen von verbalen Abreibungen seiner Exfrau und von Gavins Familie, muss er im Laufe seiner Ermittlung übelst körperlichen Prügel einstecken. Kritisch kann man hier anmerken, dass er viel zu schnell und viel zu gut immer wieder auf die Beine kommt – nicht unbedingt realistisch und schlicht zu viel Kloppe. Der versierte Krimileser ahnt auch, was sich am Ende auflösen wird – aber nur einen Teil. Ok, wir haben es mit einem traumatisierten Polizisten zu tun, der sein Kind verloren hat, dessen Ehe gescheitert ist, die Frau ihn für einen Betuchteren, einen erfolgreichen Anwalt, verlassen hat. Jonah, der auch seinen Freund verloren hat, einer, der suspendiert nun als typischer lonesome Wolf durch das Leben gleitet – Klischee; ebenso die plakativen Protagonisten um Jonah herum. Trotz allem macht er das ziemlich gut. Und Vorsicht! Bei weitem haben wir es hier nicht mit einem Mainstream Cop-Thriller zu tun! Das ganze Konstrukt ist wendungsreich, intelligent angelegt und hochspannend. Die Szenen sind wirkungsvoll, Betrug und Verrat auf mehreren Ebenen. Ein Noirkrimi, der von der ersten Seite hineinzieht und nicht mehr loslässt. Johannes Steck setzt die atmosphärische Beklemmung in diesem Hörbuch stimmlich hervorragend um und ich bin froh, mich für die Audiovariante entschieden zu haben. Noir pur! Simon Beckett ist einer der erfolgreichsten englischen Thrillerautoren. Seine Serie um den forensischen Anthropologen David Hunter wird rund um den Globus gelesen: «Die Chemie des Todes», «Kalte Asche», «Leichenblässe», «Verwesung» und «Totenfang» waren allesamt Bestseller. «Die ewigen Toten», Teil 6 der Reihe, erreichte Platz 1 der Bestsellerliste, ebenso wie sein atmosphärischer Psychothriller «Der Hof». Simon Beckett ist verheiratet und lebt in Sheffield.

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