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Wolkenkuckucksland – ein Buch, das mich schon allein vom Namen her absolut neugierig gemacht hat. Fünf Menschen, deren Leben nicht unterschiedlicher sein könnte, verbindet eine Geschichte über mehrere Zeitebenen hinweg. Omeir und Anna leben im 15. Jahrhundert in Konstantinopel, getrieben vom Armut und Überlebenskampf. Während Anna Bücher und Dokumente stiehlt, um die Therapie ihrer sehschwachen Schwester zu finanzieren, zieht Omeir in den Krieg. Durch die Geschichte des Wolkenkuckucksland finden beide zusammen, und verbindet beide für immer. Ein paar Jahrhunderte später zieht Zeno ebenso in den Krieg, den Koreakrieg. Lange begleiten ihn die Spätfolgen des Krieges. Erst spät findet er Zuflucht in alten antiken Texten, die er übersetzt. Besonders angetan hat es ihm eine Geschichte über das Wolkenkuckucksland, deren unvollständige Texte er übersetzt und sogar mit einer Kindertheatergruppe aufführen will. Doch da macht ihm ein junger Mann namens Seymour einen Strich durch die Rechnung. Seymour ist ein Außenseiter. Er ist sehr geräuschempfindlich, schnell werden ihm die Umwelteinflüsse zu viel. Da ihn Tiere beruhigen, findet er Zuflucht in einer Eule, aber auch in der Bibliothek, in der er viel über Tiere liest. Die Bibliothekarinnen lesen ihm aber auch eine Geschichte vor, die bereits an anderer Stelle einige Menschen beeinflusst haben: Wolkenkuckucksland. Sein Einsatz für den Tierschutz nimmt aber schreckliche Formen an, die auch andere Leben beeinflussen. Aber auch Konstance darf hier nicht fehlen: die junge Dame ist mit ihrer Familie auf einer besonderen Mission: ihre Familie hat vermeintlich die Erde verlassen, um auf einem neuen Planeten ein neues Leben anzufangen. Denn die Welt wie wir sie kennen ist zerstört und nicht mehr bewohnbar. Durch modernste Technik kann sie vergangene Welten in einer Bibliothek besuchen, und findet dort ein besonders Buch: das Wolkenkuckucksland. Und so nimmt sie die Verbindung zu den anderen Protagonisten auf und kann den Kreis schließen. Fünf unterschiedliche Charaktere, deren Schicksal an eine Geschichte gebunden sind, auf unterschiedlichste Weise. So verspinnen sich die Fäden auf eindringlichste Weise verspinnen sich die Fäden zu einer ganz besonderen faszinierenden Geschichte. Die Charaktere und die Tiere des Wolkenkuckuckslandes verspinnen sich hinweg über den Handlungsstrang und den verschiedenen Zeitschienen. Jede Zeitschiene, jeder Protagonist findet sich in der Geschichte des Antonios Diogenes wieder. Und ist es nicht genau das, was die Literatur und den Menschen verbindet? Über Generationen hinweg kann eine Geschichte für jeden etwas anderes bedeuten. Durch jede Kommentierung, jede Weitererzählung, kann eine Geschichte gewinnen und verändert sich. Genau das ist es, was mir an diesem Buch so gefallen hat. Die Verbundenheit der Protagonisten, die nicht eigenwilliger hätten sein können. Mehrere Generationen, Sozialschichten und Bedürfnisse der einzelnen Protagonisten: Alle treibt eine Geschichte voran, die vor so vielen Jahrzehnten geschrieben wurde. Es sind Geschichten, der die Zeit nichts anhaben kann. Geschichten sind für jeden da. Sie müssen nur erzählt werden. Dafür sind Bibliotheken, Buchhändler, ja aber jeder von uns da. Jeder hat seine Lieblingsgeschichte, die er gerne erzählt und teilt. Sie treiben uns hinweg vom Alltag hinaus über die Wolken. Sie verändern uns, so wie die Protagonisten in Diogenes‘ Originalgeschichte getan haben. Vielleicht erfasst man den Sinn nicht gleich, fühlt sich wie ein Esel, und bekommt schließlich das Verständnis, auf dass man die Weisheit einer Eule erlangt. Ein Buch, das eigenwillig anmutet, und doch seinen Charme versprüht. Die einzelnen Kapitel laden dazu ein, Stück für Stück zu lesen, genießen, verstehen und nachdenken. Stück für Stück, Schicht um Schicht gibt dieses Buch sein Geheimnis Preis. Ein Geflecht von Zeit, Protagonisten und Geheimnissen, das sich gekonnt verwebt. Ein besonderes Buch, wie ich finde.