Caillean
Liebe und Leid im Tiergarten Schönbrunn während des Ersten Weltkriegs Ein Zoo bzw. Tiergarten hat schon immer viele Menschen an-gezogen. Auch in Krisenzeiten erhoffen sich die Leute von ei-nem Spaziergang durch das Areal etwas Abstand vom Alltag, possierliche Tierchen und eine faszinierende Welt für ihre Kin-der.Das war auch vor über 100 Jahren schon so. Die „Menage-rie“ des Kaisers von Österreich war in Wien ein beliebtes Aus-flugsziel an den Wochenenden – doch dann kam der Erste Weltkrieg und als selbst die Menschen hungerten, fragten sie sich immer mehr, warum die Tiere des Zoos weiter durchge-füttert werden. Einen Blick hinter die Kulissen der Menagerie zu dieser Zeit wirft „Die Frauen von Schönbrunn“. Da er als historischer Un-terhaltungsroman konzipiert ist, dient die kaiserliche Menagerie hauptsächlich als Kulisse für viel Liebe und Leid der Prota-gonisten. Man sollte also nicht zu viele detailgetreue historische Fakten erwarten, wenn auch etliche nachgewiesene Be-gebenheiten im Roman verarbeitet wurden. Sie dienen aber mehr der erzählten Geschichte als dass sie für sich genommen und auserzählt werden. Das betrifft zum Beispiel die Tatsache, dass ein Besucher, ein Soldat, einen Eisbären erschoss. Ob der Zoodirektor Alois Kraus tatsächlich ein so gerechter und integerer Mensch war wie im Buch dargestellt, lässt sich wohl nur mit großem Rechercheaufwand nachprüfen. Hier hat sich die Autorin die Freiheit genommen, die historisch verbürgten Personen in den Roman einzufügen und sie so handeln zu lassen, wie es für den Plot notwendig war. Hauptpersonen des Romans sind allerdings die (fiktive) Tier-pflegerin Emma Moser und der (ebenfalls fiktve) Tierarzt Julius Winter. Emma würde selbst gern Tierärztin werden, hat in Wien allerdings als Frau keine Chance auf ein Studium. Julius kehrt psychisch versehrt aus dem Kriegsdienst zurück. Als historischer Unterhaltungsroman funktioniert die Kombina-tion Tiergarten und Liebesgeschichte perfekt – ich persönlich hätte mir aber noch etwas mehr Tiefe gewünscht. Ich fand z. B. das Verhältnis von Fanny, dem Menschenaffen, gegenüber Emma sehr interessant. Emma versucht die gelangweilte Fanny mit spielerischen Übungen aus ihrer Lethargie zu reißen und zeigt so, wie intelligent diese Tiere sind. Dass jedoch rundherum alle, selbst offenbar der Zoodirektor, davon nie etwas gehört haben wollen und Emma die Einzige ist, die das Potential des Affen erkennt, erschien mir sehr plakativ. Wie in Unterhaltungsromanen üblich sind also die „Guten“ auch hier durchweg gut und die „Bösen“ durchweg böse… das war mir etwas zu sehr Schwarzweiß-Malerei und ich hätte mir in den Charakteren noch etwas mehr Widersprüchlichkeit gewünscht, um sie noch interessanter zu machen. Leider werden wir wahrscheinlich nicht erfahren, wie es nach dem Krieg mit dem Tiergarten weiterging, denn der nächste Band der Schönbrunn-Saga wird „Die Kinder von Schönbrunn“ heißen und sich mit der Reformpädagogik der 1920er Jahre beschäftigen. Dabei würde ich wirklich gern erfahren, wie es mit den Tieren und dem Tiergarten nach Ende des ersten Weltkriegs weiterging! Meine Hoffnung ist, dass der Tiergarten als verbindendes Element auch in den folgenden Bänden immer wieder eine Rolle spielen wird. Fazit: Ein typischer historischer Unterhaltungsroman, in dem die Personen im Fokus stehen und der Tiergarten als (äußerst interessante!) Kulisse dient. Das Buch liest sich weg wie nix und macht neugierig auf die Geschichte des Tiergartens Schönbrunn. PS. Warum das Buch „Die Frauen von Schönbrunn“ heißt, ob-wohl Emma die einzige weibliche Hauptfigur ist, erschließt sich mir allerdings nicht.