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Matzbach

Posted on 2.1.2022

Bei der letztjährigen Bestellung bei der Landeszentrale für politische Bildung hatte ich noch einige Titel offen, weshalb ich mich für dieses Buch entschied, obwohl ich für mich selbst das Feld Weimarer Republik weitestgehend bestellt finde (das soll jetzt nicht arrogant klingen, aber das Thema war und ist eines meiner Hauptinteressensfelder im Bereich der Geschichte und ich habe so viel darüber gelesen, dass es nur wenig Neues zu erwarten gibt). Philipp Austermann beschreibt in seiner Studie "Der Weimarer Reichstag - Die schleichende Ausschaltung, Entmachtung und Zerstörung eines Parlaments" am Beispiel dieses Verfassungsorgans den Niedergang der Weimarer Republik, wobei, dem Untertitel entsprechend, der Schwerpunkt auf den Jahren 1930 bis 1933 liegt. Allerdings beginnt er mit den Belastungen, denen die Reichstagsarbeit von Anfang an durch den verlorenen Krieg, das Erbe des Kaiserreichs und die Reparationsverpflichtungen ausgesetzt war. Danach folgt ein etwas trockener Teil über den parlamentarischen Alltag, die Verfahrensweisen und die Arbeit der Abgeordneten. Was den Schwerpunkt betrifft, dem sachkundigen Leser bietet die Darstellung wenig Neues. Die Entwicklungen vom Zerfall der letzten Koalitionsregierung über die Präsidialkabinette bis zum Ermächtigungsgesetz sind so oft und vielfältig beschrieben worden, dass das auch nicht erwarten gewesen ist. Dennoch schafft es Ackermann, das alles noch einmal komprimiert auf den Punkt zu bringen, und darin liegt die Daseinsberechtigung dieser Studie. Natürlich waren die Parteien damals weitaus stärker als heute Milieuparteien, die stark Rücksicht auf ihr jeweiliges Klientel nehmen mussten, was die für Demokratie notwendige Kompromissfähigkeit/-bereitschaft erschwerte, aber das war nicht der Grund für das Scheitern der ersten deutschen Demokratie. Weitaus sägten die stockkonservativen Kräfte am Ast der Demokratie, die ihnen zutiefst wesensfremd und zuwider war. Ein Reichspräsident Hindenburg nutze schamlos die Schwächen der Reichsverfassung aus, um sie zu untergraben, beraten von Militärs wie Schleicher und Adligen wie dem unsäglichem Franz von Papen, der sich anmaßte, Hitler kontrollieren zu können. Wenn es so etwas wie eine göttliche Gerechtigkeit gibt, so mögen sie alle auf ewig in der Hölle schmoren für das, was sie zu verantworten haben. Nebenbei, man fragt sich überhaupt, warum in Deutschland noch Straßen und ein Damm nach dem Totengräber der Republik benannt sind, denn Hindenburg steht nun für alles andere als demokratische Traditionen. Auch der Reichskanzler Brüning kommt bei Ackermann zu recht schlecht weg, weniger deshalb, weil er sich auf Hindenburgs Spiel, einen autoritären Staat aufzubauen, der von den konservativen Eliten des untergegangenen Kaiserreichs geleitet werden sollte, einließ als vielmehr deshalb, dass er ohne wirkliche Not den Reichstag auflösen ließ und damit die Nationalsozialisten stark machte. Seine Politik der Deflation und der Ablösung der Reparationsverpflichtungen ist bis heute umstritten, war aber, zumindest was das Letztere betrifft, erfolgreich, wenngleich Brüning selbst davon nicht mehr profitierte, weil ihn bereits der ewige Intrigant Papen beerbt hatte. Doch Brünings Plan, dem Ausland die deutsche Zahlungsfähigkeit durch strikte Ausgabenkürzung zu demonstieren und damit dem einfachen Volk durch Gehalts- bzw. Unterhaltskürzungen die Hauptlast aufzubürden, war ein Spiel mit hohem Risiko, vor allem vor dem Hintergrund des Aufstiegs der NSDAP, aber auch der KPD. Da es sich letztlich um einen Betrug an den Siegermächten handelte, konnte er dem Volk ja kaum seine Absichten erklären, so dass dieses nur das ständig zunehmende Elend registrierte. Das Ziel, später mit den durch den Wegfall der Reparationsverpflichtungen Arbeitsbbeschaffungsprograme zu finanzieren, war ja so nicht vermittelbar und fiel dann seinem späteren Nachfolger Hitler in den Schoß, Stichpunkt Autobahnbau, dessen Pläne ja noch in der Zeit der Republik gemacht wurden. Am Ende der Lektüre muss sich der Leser fragen, ob es angesichts des Aufstiegs der AfD, den "Spaziergängen" der Corona-Leugner und anderer Verschwörungsfanatiker nicht angebracht ist, auch sichtbar auf die Straße zu gehen, um diese nicht den Krawallmacher sang- und klanglos zu überlassen. Es hat nicht immer der Recht, der am lautesten schreit, aber was daraus erwachsen kann, sollten wir Deutschen am besten wissen.

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