Profilbild von naraya

naraya

Posted on 29.12.2021

Als ihr Mann kurz vor ihrem Geburtstag ins Krankenhaus eingeliefert und operiert werden muss, wird Katherine May zum ersten Mal bewusst, dass sie ihn verlieren könnte. Zu dieser Angst kommt eine weitere Tatsache. Vor einer Woche hat sie ihren Job aufgegeben und die Zukunft ist ungewiss. Die Autorin spürt es deutlich: der Winter kommt – und nun versucht sie, sich anzupassen und zu überwintern. In „Überwintern“, einem Mix aus Autobiografie und Sachtext, begleiten wir die Autorin Katherine May durch mehrere Winter ihres Lebens. Ausgehend von den Ereignissen in der Gegenwart, blickt sie auch auf Vergangenes zurück, wie zum Beispiel eine Reise während ihrer Schwangerschaft oder ihre Überforderung als junge Mutter. Dabei lässt sie immer wieder auch Exkurse einfließen, zum Beispiel über Bienenvölker oder den Effekt von kaltem Wasser auf den Organismus. Hauptsächlich geht es jedoch um Mays Strategien, den Winter in ihr zu überwinden, indem sie sich Ruhe gönnt und Dinge unternimmt, die ihrer Seele guttun. Dieses Buch lässt mich zwiegespalten zurück. Auf der einen Seite ist der Wunsch der Autorin nach Entschleunigung und Zeit für sich selbst verständlich, auf der anderen Seite kann ich ihre Schlüsse daraus nicht nachvollziehen. May macht zum Beispiel keinen Hehl daraus, dass sie nicht an Therapien glaubt. Für mich hingegen wäre das einer der ersten Impulse, wenn ich an mir Anzeichen einer Depression entdecke. Stattdessen suggeriert das Buch, man müsse nur in die Kirche oder zum Eisbaden gehen, schon ginge es einem besser. Ist der Sohn in der Schule unglücklich, unterrichtet man ihn eben zuhause. Mir ist klar, dass die Autorin nur ihre eigenen, nicht perfekten Wege aus dem Winter erzählt, aber dennoch bleibt ein gewisser Nachgeschmack. Nicht jeder hat die Kapazitäten, einfach den Job zu kündigen oder das Kind zuhause zu behalten. Gestört hat mich außerdem, dass die Autorin Handlungsfäden beginnt und sie dann nicht weiterführt, so dass wir nicht wissen, wie eine Situation für sie ausgegangen ist. Irritiert hat mich dabei auch, dass der zu Beginn so bedeutsame Ehemann für den Rest des Buches quasi keine Rolle mehr spielt.

zurück nach oben